Eine der größten Business-Communitys Europas
Mehr als 10.000 Chinesinnen und Chinesen leben in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main. Warum ihre Business-Community eine der größten Europas ist.
Xiang Li erkundigt sich bei der Bedienung des hippen Cafés in der Frankfurter Innenstadt, wie groß genau denn der „große“ Cappuccino sei. Er hätte einmal einen halben Liter bekommen und seitdem fragt er lieber nach. Aber nicht nur die Größe der Kaffeetassen variiert in verschiedenen Ländern, sagt Li. Er kommt aus der Provinz Hubei in Zentralchina und lebt und arbeitet seit zwölf Jahren in Frankfurt am Main – als Teil der chinesischen Business-Community im Rhein-Main-Gebiet. Sie ist eine der größten in Europa. Zur Business-Community gehören Chinesinnen und Chinesen, die sich am wirtschaftlichen Leben beteiligen, in Unternehmen arbeiten oder selbstständig sind.
Mehr als 10.000 Chinesinnen und Chinesen leben in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main, die sich Teile von Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern umfasst. Fast 400 chinesische Firmen liegen im Gebiet der Industrie- und Handelskammer Frankfurt. Mehr als 700 chinesische Unternehmen und Institutionen haben Standorte im Rhein-Main-Gebiet, darunter Fluggesellschaften, Banken und große Unternehmen aus den Branchen Automobil, Pharma und Erneuerbare Energien. Das chinesische Generalkonsulat in Frankfurt am Main ist das größte in Europa. In der Region, die nur 4,13 Prozent der Fläche von Deutschland ausmacht, werden 8,14 Prozent der deutschen Bruttowertschöpfung erzielt.
Xiang Li nimmt in doppelter Hinsicht am deutsch-chinesischen Geschäftsleben teil. Zum einen arbeitet und lebt er in Deutschland. In seinem Hauptberuf als Computerlinguist bei einem großen deutschen Telekommunikationsunternehmen arbeitet er an der Entwicklung von Stimmassistenten für Smarthomes und Smartphones. Nebenberuflich dolmetscht er bei deutsch-chinesischen Geschäftsterminen. Wenn hochrangige Wirtschaftsdelegationen zu Besuch sind, erlebt Li die ganze Vielfalt deutsch-chinesischer Zusammenarbeit. Da geht es etwa um die Bekämpfung von Algen vor der Küste Qingdaos oder auch den Aufbau von Smart Factories in Deutschland und China.
Mehr als nur Business
Auf seinen Profilbildern in den beruflichen Netzwerken schaut Li selbstbewusst und freundlich in die Kamera, businessschick in Anzug und Krawatte. Im Café erscheint er in legerem chinesischen Streetstyle. Er trägt eine mit Strasssteinen besetzte New-York-Yankees Kappe, dazu eine eleganten Woll-Cardigan. Er erzählt von der vielfältigen deutsch-chinesischen Gemeinschaft in der Region. Es wird klar: Das Geschäft ist nicht alles. Wer in ein anderes Land zieht, bringt seine Kultur mit und schätzt es auch, sie in der neuen Heimat erleben zu können. Li engagiert sich daher ehrenamtlich als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Frankfurt am Main e.V. und organisiert das interkulturelle Programm.
Dabei treffen sich Chinesinnen und Chinesen aus der Region und an China Interessierte, um miteinander Tee zu trinken oder Chinesisch zu essen. Die Auswahl an Restaurants in Frankfurt sei groß, sagt Li. „Es gibt Sichuan-Küche, am Bahnhof gibt es mehrere Hotpot-Restaurants, im Westend werden hausgemachte Nudeln angeboten und es gibt ein Xinjiang-Restaurant.“ Der Verein lädt Professoren, Künstlerinnen oder Autoren zur Diskussion ein. Auch hochkarätige Gäste wie der Literaturnobelpreisträger aus dem Jahr 2012 Mo Yan waren schon zu Gast. „Er war wegen der Buchmesse in Deutschland und hat sich dann auch bei uns vorgestellt“, erzählt Li. Auch der in deutschen Feuilletons gefeierte Science-Fiction-Autor Cixin Liu besuchte den Verein. „Wir wollen, dass unser Publikum mehr aus solchen Perspektiven erfahren kann“, sagt Li.
Das Rhein-Main-Gebiet ist auch auf kommunaler Ebene kulturell und wirtschaftlich gut mit China vernetzt. Die Region unterhält Städtepartnerschaften mit Guangzhou, Yangzhou, Liaocheng, Taizhou, Wenzhou, Yichun und Lushan. Schüler- und Studienaustausche, Reiseangebote und Kooperationen von Unternehmen vor Ort stärken die Beziehung der jeweiligen Städte. Die Chinesische Handelszeitung hat ihren Hauptsitz in Frankfurt und viele mehrsprachige Vereine und Bildungsangebote ermöglichen ein inspirierendes interkulturelles Umfeld.
Außerdem gibt es neben chinesischen Supermärkten mittlerweile auch eigens für die chinesische Community programmierte Bestell-Apps. Auf ochama oder mywaysia gibt es frischen und gerösteten Tofu, Sonnenblumenkerne, chinesische Snacks und Softdrinks, sowie Spezialitäten wie Hühnerfüße und Entenhals. „Mittlerweile gibt es auch kleine elektronische Sachen. Heißluftfritteusen oder Kopfhörer chinesischer Hersteller“, sagt Li.
Xiang Li verbringt mehrere Wochen im Jahr in China, pendelt viel hin und her. Oft wird er gefragt, ob er dabei Dinge mitbringen kann. Seine Freunde in Deutschland lassen sich vor allem Essen und chinesische Haushaltsgeräte mitbringen, die es in Deutschland nicht gibt. Für seine Familie und Freunde in China besorgt Li inzwischen andere Sachen als noch vor einigen Jahren: „Das ist sehr interessant, das hat sich verändert. 2011 oder 2012 sollte ich oft elektronische Geräte aus Deutschland besorgen: Rasierer, Haartrockner, elektrische Zahnbürsten. Mittlerweile hat China da selbst mehr Auswahl. Jetzt soll ich exotische Weine oder Schokolade mit Chili oder Nüssen mitbringen.“ Die passt auch gut zu einem „großen“ Cappuccino.