„Jahrhundertealte Traditionen treffen auf modernste Technologie“
Der Dachdeckermeister, Diplom-Ingenieur und Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, blickt optimistisch in die Zukunft des Handwerks.
Herr Dittrich, wieso lohnt sich eine Ausbildung und Beschäftigung im Handwerk in Deutschland?
Eine Ausbildung und Beschäftigung im Handwerk bieten sichere Zukunftsaussichten: Das Handwerk ist nicht nur ein wichtiger Motor für Wachstum und Wohlstand in Deutschland, sondern stellt mit über einer Million Betrieben auch einen wesentlichen Teil des Mittelstands dar. Die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften ist hoch und Handwerksberufe sind unverzichtbar für die anstehenden Transformationsprozesse etwa beim Klimaschutz, der Energie- und Mobilitätswende sowie für die Versorgung mit handwerklichen Lebensmitteln, Dienstleistungen und Gesundheitsprodukten. Eine KI wird auch in Zukunft nicht den Maurer oder die Friseurin ersetzen. Ein Job im Handwerk ist also ein sicherer Job.
Außerdem bietet eine Beschäftigung im Handwerk die Möglichkeit, sich persönlich zu entwickeln und kreativ die eigenen Talente auszuleben: Es gibt eine beeindruckende Bandbreite von über 130 Berufen – egal ob in der Baubranche, bei den Lebensmittel- oder Gesundheitshandwerken oder in kreativen Bereichen wie dem Kunsthandwerk. Attraktive Verdienstmöglichkeiten sind ein weiterer Grund: Bereits während der Ausbildung erhalten junge Menschen ihr eigenes Geld. Nach dem Abschluss bieten viele Handwerksberufe gute Gehälter und zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten, sei es durch Fortbildungen etwa zum Erwerb des Meisterbriefes, der dem akademischen Bachelorabschluss gleichgestellt ist, bis hin zur Gründung eines eigenen Unternehmens.
Was zeichnet deutsches Handwerk auf dem internationalen Markt aus?
Das deutsche Handwerk genießt auf dem internationalen Markt einen hervorragenden Ruf, es steht für eine hohe Konkurrenzfähigkeit, Leistungsqualität, Termintreue, Serviceorientierung, Zuverlässigkeit und Flexibilität. Jahrhundertealte Traditionen treffen auf modernste Technologie, um den Anforderungen eines sich ständig wandelnden Marktes gerecht zu werden.
In vielen handwerklichen Bereichen ist Deutschland technologisch führend: Ob in der Automobilindustrie, im Maschinenbau oder in der Elektrotechnik – deutsche Handwerksprodukte und -dienstleistungen setzen oft weltweit Standards. Viele Handwerksbetriebe verfügen über langjährige Erfahrungen im internationalen Geschäft und haben zum Teil hohe Exportquoten. Sie sind in der Lage, individuell auf Kundenwünsche einzugehen und maßgeschneiderte Lösungen zu bieten. Diese Flexibilität und das hohe Maß an Kundenorientierung sind entscheidende Wettbewerbsvorteile auf dem internationalen Markt. Immer wichtiger wird das Thema Nachhaltigkeit. Viele Handwerksbetriebe setzen auf Schonung der Ressourcen und auf den Umweltschutz. Dies trifft den Nerv der Zeit und ist ein wichtiger Faktor für die internationale Anerkennung.
Neue Entwicklungen in Technologie und Künstliche Intelligenz verändern die Arbeitswelt kontinuierlich. Wie passt sich das Handwerk an und wie sieht das Handwerk der Zukunft aus?
Das Handwerk passt sich seit Jahrhunderten kontinuierlich an neue Entwicklungen an und gestaltet die Zukunft aktiv mit. Viele Betriebe setzen auf moderne Technologien und digitale Werkzeuge, um ihre Arbeitsprozesse zu optimieren. Außerdem arbeitet das Handwerk mit Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Technologieunternehmen zusammen. Diese Kooperationen fördern den Wissensaustausch, ermöglichen den Zugang zu Innovationen und sichern gleichzeitig die praktische Anwendbarkeit. Von der Nutzung von 3D-Druckern über KI-gesteuerte Maschinen bis hin zu digitalen Planungs- und Kalkulationsprogrammen – die Digitalisierung durchdringt bereits jetzt alle Bereiche des Handwerks. Um zukünftigen Anforderungen der technologischen Entwicklungen gerecht zu werden, investieren Handwerksbetriebe und Ausbildungsstätten kontinuierlich in die Aus- und Weiterbildung. Ausbildungsinhalte werden entsprechend angepasst, um den Auszubildenden die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. So entstehen zum Beispiel ganz neue Berufsbilder wie Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration. Auch wenn man die Zukunft nicht linear vorhersagen kann, so ist sicher: Das Handwerk der Zukunft wird digitaler, vernetzter und noch nachhaltiger sein, ohne dabei seine traditionellen Stärken zu verlieren.
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Jörg Dittrich, Dachdeckermeister aus Dresden, ist seit 1. Januar 2023 Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.