Ein Park namens Humboldt
In Kuba werden 707 Quadratkilometer einzigartiger Natur im Namen des großen Forschers geschützt.
Der vierradgetrieben GAZ-66-Lkw aus russischer Produktion wühlte sich mühsam durch die rote Erde des Regenwalds im Osten Kubas. Nicht auf den Spuren, aber doch im Namen des großen Naturforschers und Entdeckers Alexander von Humboldt. Schließlich kam auch der Lkw in dem bodenlosen Schlamm nicht mehr weiter, ein Traktor wurde vorgespannt und sorgte dafür, dass die wenigen deutschen und kubanischen Gäste im April 1996 rechtzeitig zur Eröffnung des Parco Nazionale Alejandro de Humboldt im erst tags zuvor halbwegs fertiggestellten Besucherzentrum ankamen. Die kleine deutsche Delegation unter Leitung des späteren Direktors des Frankfurter Zoos, Professor Manfred Niekisch, war aus Bonn gekommen, dem Sitz der Umweltstiftung OroVerde. Die Stiftung hatte sich maßgeblich an der Finanzierung und Planung des Nationalparks beteiligt.
Die Kubaner verehren Alexander von Humboldt
In Kuba wird Alejandro de Humboldt geradezu verehrt, sein Name ist allgegenwärtig. Dabei hatte er Havanna nur besucht, weil es damals die zentrale Drehscheibe für Reisen in der Karibik war. Für den Naturforscher Humboldt war die Insel auf den ersten Blick keine Reise wert, sie schien ihm ausgeforscht. Damals war ein wichtiger Antrieb von Entdeckungsreisenden, als Erster unbekannte Gebiete zu erforschen. Deswegen galt Kuba für viele Forscher nicht mehr als lohnendes Ziel.
Der Besuch auf Kuba machte dennoch tiefen Eindruck auf Humboldt, wie sich in einem erst 2016 gefundenen Tagebuch zeigt. Bereits auf seiner ersten Reisestation in Cumàna im heutigen Venezuela hatte er die menschenverachtende Brutalität der Sklaverei gegeißelt. Seine Besuche auf Kuba 1800 und vor allem 1804 dienten eigentlich zunächst der kartografischen Vermessung der Insel und der Beschreibung ihrer Wirtschaft. Diese aber fußte auf der Sklaverei und „der Sklave (war) in der Einsamkeit einer Pflanzung oder eines Pachthofes den größten Misshandlungen preisgegeben“, wie Humboldt damals in sein Tagebuch schrieb.
Obwohl in Kuba die Natur Humboldt weniger interessierte als in anderen Ländern, setzte das Land dem Naturforscher mit dem Nationalpark Alejandro de Humboldt ein aus der Vielzahl der Humboldt-Ehrungen herausragendes Denkmal. In bester Tradition der engen Bindung zwischen Lateinamerika und Deutschland wurde das riesige, 707 Quadratkilometer umfassende Schutzgebiet mit Hilfe von OroVerde eingerichtet. Bis heute unterstützt die deutsche Tropenwaldstiftung die Arbeit der kubanischen Naturschützer im und am Nationalpark.
Eine Heimat für den seltenen Schlitzrüssler
Der Park umfasst extrem unwegsame und bergige Urwälder ebenso wie einen langen Küstenstreifen und die küstennahen Gewässer davor. Mit mehr als 1.200 Tier- und 1.300 Pflanzenarten gilt er den Vereinten Nationen als das wichtigste biologische Refugium der Karibik. Etliche endemische, also nur hier vorkommende Tierarten werden in dem Park gefunden, darunter der äußerst seltene kubanische Schlitzrüssler, der Kuba-Sittich und die Kuba-Amazone, der kleinste Frosch der Welt und der kleinste Vogel der Welt, die Bienenelfe. Vogelfreunde hoffen immer noch, hier den seit Jahrzehnten als ausgestorben geltenden Elfenbeinspecht wiederzuentdecken. Er ist auf Kuba zuletzt 1987 gesehen worden.
Im 18. und 19. Jahrhundert – auch da schließt sich mit Blick auf Humboldt ein Kreis – wurde der unzugängliche und abgeschiedene Urwald des heutigen Parks noch vor allem von Menschen bewohnt, die aus der von Humboldt so entschieden abgelehnten Sklaverei geflohen waren. Heute dient er im Namen des großen Forschungsreisenden der Bewahrung der kubanischen Natur.
Du möchtest regelmäßig Informationen über Deutschland bekommen? Hier geht’s zur Anmeldung: