Studieren in Deutschland: Lernen, neue Freunde und Abenteuer
Warum entscheiden sich junge Menschen aus China für ein Studium in Deutschland? Wir haben mit zwei von ihnen gesprochen.
8.000 Kilometer entfernt von der Heimat: „Hier lerne ich unternehmerisches Denken“
Zhiyu Tian ist 23 Jahre alt und absolviert ein Masterstudium Entrepreneurship in Vallendar.
„Mich hat die Vorstellung, eines Tages im Ausland zu studieren, schon immer fasziniert. Einer meiner Cousins ist 15 Jahre älter als ich und studierte in Darmstadt. Während seiner Besuche bei uns in Chongqing hat er immer von diesem fremden Land erzählt, in dem die Leute gern Würstchen essen oder Bier trinken, in dem die Universitäten angesehen sind und die Jobchancen gut. Für mich klang das wie ein großes Abenteuer.
Auf die Idee, selbst in Deutschland zu studieren, kam ich aber erst während meines Gap Years nach meinem Bachelor. In der Zeit habe ich Praktika im Marketing und der Unterhaltungsbranche gemacht – und gemerkt, dass das total mein Ding ist! Meinen Master wollte ich daher nutzen, um mich in diese unternehmerische Richtung zu spezialisieren. Allerdings habe ich im Bachelor ein geisteswissenschaftliches Fach studiert und ein Fachwechsel im Master ist in China sehr kompliziert und bedarf einer mehrjährigen Vorbereitung.
Ich habe mich daher an Businesshochschulen in Europa beworben, für die nicht der Studienhintergrund, sondern eher das Ergebnis in standardisierten Tests wie dem GMAT zählen. Letztlich habe ich mich für die WHU – Otto Beisheim School of Management in Rheinland-Pfalz entschieden, da diese Business School international sehr angesehen ist und ein Master in Deutschland – anders als etwa in England – nicht zwei, sondern ganze vier Semester umfasst. Vor knapp acht Wochen bin ich deshalb nach Deutschland gezogen, rund 8.000 Kilometer weit weg von meiner Heimat. Das Studium ist so, wie ich es mir gewünscht habe: Ich lerne unternehmerisches Denken, wir haben spannende Praxisprojekte, und es gibt Veranstaltungen, bei denen man sich mit Alumni aus aller Welt vernetzen kann. Der letzte Punkt ist für mich sehr wertvoll und eine Möglichkeit, die ich so in China nicht hätte.
Das Einleben in Deutschland fällt mir noch etwas schwer. Die Leute sind sehr nett, aber mein Deutsch ist noch nicht so gut und ich habe kaum Zeit, mich mit ihnen zu verabreden. Denn die Tage an der Hochschule sind lang und wenn ich abends nach Hause komme, telefoniere ich mit meiner Familie in China. Außerdem baue ich gerade mein eigenes Startup auf: Ich habe eine Plattform gegründet, auf der sich Chinesinnen und Chinesen, die sich für ein Studium im Ausland interessieren, vernetzen können – so etwas hätte ich selbst auch gerne gehabt. Ich bin zuversichtlich, dass ich mich bald auch in Deutschland zu Hause fühle – und wenn ich doch mal Heimweh habe, koche ich mir eine Hühnersuppe nach dem Rezept meiner Mutter. Das hilft immer!“
Neustart in Deutschland: „Ich habe meine Entscheidung nie bereut“
Niming Ren ist 28 Jahre alt und studiert Wirtschaftswissenschaften in Nürnberg.
„Ich bin nach Deutschland gekommen, um nochmal ganz neu anzufangen: Mit Ende 20 habe ich hier in Nürnberg ein Bachelorstudium begonnen, inzwischen studiere ich im dritten Semester Wirtschaftswissenschaften. Mir ist klar, dass das eher ungewöhnlich ist, die meisten meiner Kommilitonen sind fast zehn Jahre jünger als ich. Aber ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden.
Weil mich Deutschland schon immer fasziniert hat, habe ich in China erst Germanistik studiert und mich dann für einen binationalen Doppelmaster eingeschrieben, der von der Beijing Foreign Studies University in Peking und der Universität in Jena angeboten wurde. Zwei Semester habe ich daher in Jena verbracht. Zuerst war ich aufgeregt und nervös: Würde ich im Alltag gut zurechtkommen? Würden mir meine Freunde und Eltern fehlen? Und würde das stereotypische Bild der kühlen Deutschen stimmen? Heute kann ich sagen: Ich hatte in Jena die beste Zeit meines Lebens! Meine Kommilitonen waren sehr aufgeschlossen und ich habe gute Freunde gefunden, mein Deutsch wurde schnell besser, und auch das deutsche Hochschulsystem hat mir gefallen.
Im Vergleich zu chinesischen Universitäten wird den Studierenden hier mehr Freiraum gelassen. So gibt es keine Anwesenheitskontrollen im Hörsaal und niemanden, der dich im Wohnheim zum Büffeln animiert. Es geht weniger ums Auswendiglernen als um kritisches Denken. Beide Systeme haben ihre Vorteile, ich komme mit dem deutschen etwas besser zurecht. Nach meinem Jahr in Jena habe ich einen Job in China angenommen, aber festgestellt, dass ich dort vor allem administrative Aufgaben übernehmen musste – für die spannenden Tätigkeiten fehlten mir wirtschaftliche Qualifikationen. Außerdem habe ich Deutschland vermisst: Die offenen Menschen, die Nähe zu anderen europäischen Ländern, die schöne Natur. Da war für mich klar, dass ich nochmal von vorn anfange – und zwar mit einem Wirtschaftsbachelor in Deutschland. Ich habe meine Entscheidung nie bereut und kann mir gut vorstellen, hier auch beruflich Fuß zu fassen!“