Gemeinsam gegen Desinformation
Weltweit kämpfen Medienschaffende gegen Manipulation und sinkendes Vertrauen. Auf Einladung des Auswärtigen Amts tauschten sie ihre Erfahrungen aus.

An einem sonnigen Frühlingstag sitzt ein TV-Redakteur und Podcaster aus Serbien zusammen mit 15 Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Ländern in einem Seminarraum in Berlin und findet harte Worte dafür, was Medienschaffenden droht, die der aktuellen Regierung in seinem Land unbequem werden.
Zustimmung erhält er von einer Online-Journalistin aus Georgien und der Geschäftsführerin einer Nichtregierungsorganisation aus Tadschikistan. Für beide gehört das Risiko direkter staatlicher Einflussnahme auf ihre Arbeit zum Alltag. „Es ist schlimm genug, dass Journalistinnen und Journalisten in vielen Ländern damit rechnen müssen, dass ihre Geräte gehackt werden. Aber wie geht man damit um, wenn es der eigene Staat ist, der solche Aktionen zulässt oder sogar selbst dahintersteckt?“ Als es kurz zuvor in einer Vorstellungsrunde mit einer Referentin von Reporter ohne Grenzen darum ging, den Grad der Pressefreiheit im eigenen Land zu beschreiben, fiel einer Journalistin nur das Wort „Flucht“ ein.
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Einverständniserklärung öffnenSinkendes Vertrauen in die Medien
Eine Woche lang tauschten sich Medienschaffende im Rahmen des Besucherprogramms der Bundesrepublik Deutschland zu Einschränkungen der Pressefreiheit aus. Dabei diskutierten sie unter anderem ein Thema, das auch in Deutschland zunehmend zum Problem wird: Desinformationskampagnen und die Folgen für die wichtige Arbeit der Medien. In einer aktuellen Umfrage des deutschen Meinungsforschungsinstituts infratest dimap halten 42 Prozent der Befragten die Medien für nicht mehr glaubwürdig – der höchste Wert seit 1950. „Wir haben einen deutlichen Vertrauensverlust zu verzeichnen“, sagte Steffen Grimberg, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes Berlin und Brandenburg, DJV Berlin.
Mit mangelndem Vertrauen haben viele der anwesenden Medienvertreterinnen und Medienvertreter in ihren Ländern zu kämpfen. Eine TV-Journalistin aus Botsuana stellte die entscheidende Frage: „Wie können wir Vertrauen zurückgewinnen?“ Die Antwort von Steffen Grimberg erntete zustimmendes Kopfnicken: durch saubere Arbeit und die verständliche Darstellung journalistischer Qualitätsstandards. „Hier muss sich die Branche auch an die eigene Nase fassen. Wir beobachten eine zunehmende Verwischung von Bericht und Kommentar – das ist eine unerfreuliche Entwicklung“, so Grimberg.

Herausforderung Selbstzensur
Was sich im Laufe des Tages zeigte: Der Druck, unter dem der Journalismus weltweit steht, ist vielschichtig. Desinformation ist ein entscheidender Faktor, aber er steht in Wechselwirkung mit anderen Aspekten wie repressiven Tendenzen, mangelnder Finanzierung und dem Phänomen, dass viele Medienschaffende zunehmend über eine Verengung des Meinungskorridors klagen, die zu Formen der Selbstzensur führe. Damit beschäftigt sich zum Beispiel die Organisation Reporter ohne Grenzen, die dazu gerade eine qualitative Studie durchführt. „Wir tun uns noch etwas schwer mit dem Begriff“, sagt Katharina Viktoria Weiß, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei Reporter ohne Grenzen. „Gerade im Vergleich zur Bedrohungslage von Journalistinnen und Journalisten in anderen Ländern erscheinen solche Stimmungen eher marginal. Dennoch sind sie Teil des Spektrums und sollten nicht ignoriert werden.“
An der Reise teilnehmender Investigativjournalist aus Südafrika war überrascht, wie in Deutschland die Bedrohungslage durch Desinformation wahrgenommen wird. „Man hat den Eindruck, dass sich die Menschen hier jetzt erst mit dem Thema beschäftigen. Die Menschen in Afrika sind es gewohnt, Nachrichten zu hinterfragen; wir sind in dieser Hinsicht deutlich widerstandsfähiger als der Westen.“ Er unterstütze den Kampf westlicher Medien gegen Desinformation, gleichzeitig wünsche er sich eine Aufarbeitung der aus seiner Sicht oft verzerrten Berichterstattung des Westens über afrikanische Länder.
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Einverständniserklärung öffnenAufklären und aufdecken
Beeindruckt zeigte sich die Gruppe vom Ansatz des gemeinnützigen Medienhauses Correctiv, das mit der Aufdeckung eines rechtsextremen deutschen Netzwerks im November 2023 auch international für Aufmerksamkeit sorgte. Laut Caroline Lindekamp, Leiterin des Faktenforums bei Correctiv, reiche es nicht mehr aus, Desinformationskampagnen durch das Widerlegen von Unwahrheiten – das sogenannte „Debunking“ – zu bekämpfen: „Genauso wichtig ist es, die Menschen im Vorfeld auf die Merkmale von Fake News vorzubereiten.“ Correctiv engagiert sich im Bereich dieses „Prebunkings“ mit Informationsveranstaltungen und Aufklärungskampagnen. Generell sei es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger stärker einzubeziehen. Das ist auch der Ansatz des Faktenforums, einer Online-Plattform von Correctiv. Sie ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, sich unabhängig von journalistischen Vorkenntnissen an Faktenchecks zu beteiligen und sich für einen faktenbasierten Diskurs einzusetzen.
Nach einer ereignisreichen Woche, die die Gruppe unter anderem zur Bundeszentrale für politische Bildung und zur Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik führte, bilanzierte der Journalist aus Südafrika: „Ich habe hier so viele tolle Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die unter schwierigsten Bedingungen einen fantastischen Job machen, dass mir einmal mehr bewusst wurde, wie wichtig und ehrenwert unser Beruf ist.“