Berufschancen im Nachbarland
Das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) ermöglicht es jungen Menschen, im Ausland zu arbeiten. Zwei junge Frauen aus der Verlagsbranche berichten.
Wenn Hannah Sandvoss um 9:30 Uhr in ihrem Büro mitten im schicken Pariser Verlagsviertel Saint-Germain-des-Prés erscheint, ist sie oft eine der Ersten. „In Deutschland fängt man einfach etwas früher an zu arbeiten als in Frankreich“, sagt die 27-Jährige aus Hanau in der Nähe von Frankfurt. Seit fast zehn Jahren lebt sie in Paris, seit zwei Jahren arbeitet sie im Bureau international de l’édition française (BIEF), einem französischen Verlegerverband, der internationale Networking-Programme in der Buchbranche organisiert. Die erste richtige Stelle in ihrer Traumstadt Paris. „Wer in der französischen Kulturbranche arbeiten will, muss einfach nach Paris, und Frankreich war schon immer mein Land. Ich war mit meiner Familie jedes Jahr im Sommerurlaub dort und es war klar, dass ich Französisch in der Schule lerne.“
Direkt nach dem Abitur ging Hannah nach Paris, wo sie einen deutsch-französischen Master in Kulturmanagement gemacht hat. Darüber hat sich ein Praktikum im BIEF ergeben und schnell war klar, dass nicht nur sie bleiben wollte, sondern auch ihre Kollegen weiter mit ihr zusammenarbeiten wollten. Bis zur Anstellung vergingen Monate bangen Wartens. „Ich saß wie auf heißen Kohlen“, erinnert sich Hannah.
8.000 Begegnungen fördert das DFJW pro Jahr
Dass es am Ende doch fast reibungslos mit dem Berufseinstieg in Frankreich geklappt hat, ist dem Programm „Arbeit beim Partner“ (AbP) des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) zu verdanken. Um jungen Deutschen und Franzosen zwischen 18 und 30 Jahren eine erste längere Arbeitserfahrung im Nachbarland zu ermöglichen, bezuschusst das DFJW ein Jahr lang Stellen mit 900 Euro im Monat. 2024 haben 37 deutsche und französische Vereine, Verbände und Institutionen aus Kultur, Sport und Sozialwesen davon profitiert – ein Gewinn für alle Beteiligten. „Die von uns geförderten Stellen müssen mindestens 30 Wochenstunden umfassen und die Einrichtungen zahlen oft mehr als den geforderten Mindestlohn. Auch verpflichten sie sich, die Teilnehmenden intensiv zu betreuen“, sagt Noëlle Marceaux, die sich beim DFJW um das Programm kümmert. Rund 8.000 Begegnungen fördert das 1963 im Rahmen des Elysée-Vertrags gegründete DFJW jedes Jahr, angefangen bei Schülerinnen und Schülern bis hin zu Berufseinsteigern.
Hannah Sandvoss ist als Projektleiterin bei ihrem Pariser Arbeitgeber für zwei deutsch-französische Programme zuständig: eines für junge Verlagsmitarbeitende und eines für Nachwuchsliteraturübersetzer aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Österreich. Vom Budget über die Auswahl der Teilnehmenden bis hin zur inhaltlichen Gestaltung ist sie eigenständig dafür verantwortlich, wobei ihr erfahrene Kollegen zur Seite stehen.
Frankfurter Buchmesse als Partner
Partner dieser beiden deutsch-französischen Verlagsprogramme ist die Frankfurter Buchmesse. Für diese arbeitet Mathilde Lagadu-Cleyn aus Paris ebenfalls im Rahmen eines AbP-Vertrags. Als Mathilde die Ausschreibung auf der Seite des DFJW entdeckte, hat sie keine Sekunde gezögert: „Die Frankfurter Buchmesse ist die größte der Welt und ich wusste, dass mir das viele Türen öffnen wird“, sagt die 26-Jährige, die nach ihrem Studium der Politikwissenschaften noch einen Master in kreativem Schreiben angeschlossen hat.
Obwohl sie das deutsch-französische Abitur gemacht und bereits längere Zeit in Köln und Dresden gelebt hatte, war Mathilde Lagadu-Cleyn nicht sicher, ob ihre Deutschkenntnisse reichen würden. „Ich hatte Angst, dass mir wichtige Details entgehen, aber meine Kollegen waren sehr offen. Das Tolle an dem AbP-Programm ist, dass ja alle wissen, dass ich Französin bin und mein Deutsch nicht perfekt ist.“
Wertvolle Kontakte knüpfen
Beruflich, sagt Mathilde, sei dieses Jahr das beste Sprungbrett überhaupt gewesen. Sie hatte sofort viel Verantwortung, selbst über die deutsch-französischen Programme hinaus. Die Organisation des deutschen Standes auf der Warschauer Buchmesse war so ein Highlight. „Ich liebe es, Autoren, Verleger und Leser zusammenzubringen und möchte unbedingt im interkulturellen Eventmanagement bleiben.“ Ende Januar läuft Mathildes Vertrag aus, aber sie hat schon einen neuen Job beim Literaturfestival „Le Marathon des mots“ in Toulouse gefunden. Nebenher schreibt sie an Romanen, Kinder- und Jugendbüchern, die sie hofft, bald veröffentlichen zu können. Auch dafür konnte sie wertvolle Kontakte während ihrer Zeit in Frankfurt knüpfen.
Das gilt für die meisten Absolventen des AbP-Programms. 2023 haben zwölf Franzosen und 14 junge Deutsche daran teilgenommen. Zehn von ihnen erhielten anschließend einen festen Arbeitsvertrag, sieben eine befristete Stelle, die meisten dort, wo sie ihr Programm absolviert haben. Insgesamt 13 Teilnehmende sind im Nachbarland geblieben. Auch für Hannah Sandvoss ist der ganz große Traum in Erfüllung gegangen: Sie hat direkt im Anschluss einen festen Vertrag im BIEF bekommen und wird für die nächsten Jahre in Paris bleiben.