„Wir müssen uns der Vergangenheit stellen“
Ohiniko Mawussé Toffa will herausfinden, wo Deponate in deutschen Museen herkommen und wie sie nach Deutschland gekommen sind.
Herr Toffa, wieso ist es so wichtig, die Herkunft von Kulturgütern zu klären und sie im Zweifel zu restituieren?
Restitution bedeutet nicht nur, Objekte aus Deutschland in ihre Herkunftskulturen zurückzugeben. Es bedeutet viel mehr: Geschichte wiederherstellen, die Wahrheit weitertragen. Deshalb müssen wir die „Erwerbsumstände“ klären und uns der Vergangenheit stellen. Diese Zeit wurde lange verdrängt, aber um eine bessere Zukunft zu schaffen, brauchen wir eine kritische und lebendige Erinnerungskultur. Wir müssen die Traumata gemeinsam überwinden.
Sie haben als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt „Provenienz von kolonialzeitlichen Sammlungen aus Togo“ im Museum für Völkerkunde Dresden und im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig mitgearbeitet. Was war das Ziel des Projekts?
Im Projekt ging es um rund 700 sogenannte „ethnografische Objekte“ aus der ehemaligen deutschen Kolonie Togo, die ins deutsche Kaiserreich verschifft wurden. Diese Religions-, Alltags- und Ritualgegenstände sind auf acht koloniale „Sammler“ zurückzuführen. Meine Aufgabe war es, die genauen „Erwerbsumstände“ der Objekte zu klären, also herauszufinden, unter welchen Umständen diese Objekte erworben oder in vielen Fällen eher entwendet wurden.
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Deutsche Kolonialgeschichte
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Deutschland hatte von 1884 bis 1919 Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien.
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Zu den Kolonien gehörten Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Kiautschou und Deutsch-Neuguinea.
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Die deutsche Regierung hat 1,1 Milliarden Euro für die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit zugesagt und unterstützt zahlreiche internationale Projekte.
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Was haben Sie herausgefunden?
Wir konnten die historischen Umstände tatsächlich aufklären. Drei der Sammler haben in deutlichen Kriegskontexten gehandelt. Während der Kolonialzeit haben einige Bevölkerungen in Togo den angebotenen deutschen „Schutz“ abgelehnt. Gegen sie wurden von den deutschen Kolonisatoren Militärexpeditionen durchgeführt, um sie zu bestrafen, wir nennen dies heute „Strafexpeditionen“.
Wie kann Deutschland die Aufarbeitung der Kolonialzeit weiter voranbringen?
Ich finde es wichtig, dass Museen und Forschungsinstitutionen in Deutschland mehr Personen aus den ehemaligen Kolonien einstellen und an der Diskussion beteiligen. Sie wissen häufig, wofür die Objekte eingesetzt wurden und was sie den Menschen in den Ländern bedeuten. Museen können durch die Anstellung von Menschen aus den betroffenen Ländern jedoch keine Verantwortung abgeben und sollten nicht denken, dass dieser Schritt schon ausreicht. Aber sie können die wertvolle Expertise nutzen und die Aufarbeitung dadurch beschleunigen.
Ich bin 2015 mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland gekommen, um an der Universität Bremen zu promovieren. Mein Aufenthalt und der Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus aller Welt hat meine Perspektive auf meine Forschungsarbeit geprägt und ich habe meine Erfahrungen aus Togo in Deutschland einbringen können. Ich hoffe, dass auch viele andere Forschende die Möglichkeit dazu bekommen.
Mehr zur deutschen Erinnerungskultur und über Dr. Mawussé Toffa findet ihr auf Deutsch und Englisch im DAAD-Alumni-Magazin Letter.
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