Hummus und Hoffnung
Ein Palästinenser und ein Israeli betreiben in Berlin ein Restaurant. Hier sprechen sie über Freundschaft, Versöhnung und die verbindende Kraft von gutem Essen.
„Make Hummus, not war“ steht auf einem regenbogenfarbigen Plakat neben dem Eingang des Restaurants Kanaan. Normalerweise hängt hier in der Schliemannstraße in Berlin die vegetarische und vegane Speisekarte. Doch seit dem 7. Oktober, an dem Hamas-Kämpfer Israel angriffen, ist vieles anders. Denn Kanaan wird von dem Israeli Oz Ben David und dem Palästinenser Jalil Dabit gemeinsam betrieben. Was ihnen in schwierigen Zeiten Hoffnung gibt und wieso Hummus Menschen verbindet, erzählen sie hier.
Herr Ben David und Herr Dabit, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen?
Ben David: Das ist eine einfache Frage mit einer schwierigen Antwort. Ich fühle eine Mischung aus Wut, Angst und Verzweiflung. An den Tagen unmittelbar nach dem Angriff war ich mit meiner Kraft am Ende und wollte das Restaurant für ungewisse Zeit schließen. Aber dann habe ich mit Jalil gesprochen und er hat mich daran erinnert, warum wir das machen. Wir geben den Menschen Hoffnung. Hoffnung, dass es anders sein kann, dass wir miteinander leben, arbeiten und lachen können. Jalil hat mir erlaubt, meinen Schmerz und meine Angst auszudrücken, aber dann haben wir uns darauf besonnen, wie wichtig es ist, was wir tun.
Woher haben Sie diese Kraft genommen, Herr Dabit?
Dabit: Es war auch für mich schwierig. Am 7. Oktober war ich in Ramla in Israel bei meiner Familie. Ich bin immer noch hier. Um 6 Uhr morgens stand ich auf, um das Restaurant meines Vaters zu öffnen, dann hörte ich die Sirenen. Alles, was danach passiert ist, ist grauenhaft. Ich habe Freunde und Familienangehörige in Gaza, manche habe ich bereits verloren. Aber wenn wir aufgeben, haben die Terroristen gewonnen. Das dürfen wir nicht zulassen, wir müssen weiter hoffen.
Was gibt Ihnen in diesen schwierigen Zeiten Hoffnung?
Ben David: Mir gibt meine Partnerschaft mit Jalil Hoffnung. Wenn ein jüdischer Israeli und ein israelischer Palästinenser ein Restaurant in Deutschland aufmachen können und hier miteinander friedlich und freundschaftlich arbeiten, können wir das auch woanders schaffen.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Dabit: Ich bin vor neun Jahren nach Berlin gekommen. Es war die perfekte Stadt für mich. Es war damals noch recht günstig, es gibt viel Kultur und Menschen aus aller Welt und allen möglichen Religionen leben hier zusammen. Deshalb habe ich mich hier auf die Suche nach einem Partner gemacht, um gemeinsam Tahini und Hummus zu verkaufen und vielleicht irgendwann ein Restaurant aufzumachen. So habe ich Oz gefunden.
War Ihnen damals schon bewusst, welches politische Statement Sie mit dieser Partnerschaft setzen?
Ben David: Um ehrlich zu sein, am Anfang nicht. Ich habe Jalil versprochen, dass der Fokus auf unserer vegetarischen und veganen Küche liegen wird und nicht auf politischen Aussagen. Aber das kam von selbst. Wir sind automatisch ein Symbol für die Menschen geworden, unsere Zusammenarbeit stand von Anfang an für etwas Größeres – ob wir das wollten oder nicht. Uns haben aber nicht unsere politischen Einstellungen verbunden oder irgendeine Message, uns hat die gemeinsame Arbeit verbunden, die oft komplizierten Besuche bei deutschen Behörden (lacht) und unsere Freundschaft.
Dabit: Wenn wir dieses Miteinander öfter zulassen würden und mehr Menschen diese Erfahrungen machen würden, wäre klar, dass das Alltägliche, die kleinen Gemeinsamkeiten und das geteilte Leben, das große Ganze, was uns dem Anschein nach trennt, überwiegt.
Was glauben Sie, wieso kommen so viele Menschen in Ihr Restaurant?
Ben David: Sie kommen wegen unserer Botschaft, weil sie unsere Geschichte toll finden …
Dabit: … und vor allem, weil unser Essen schmeckt!
Ben David: Ja, die meisten kommen wegen der Geschichte, aber bleiben wegen des guten Essens. Das Besondere an unserem Essen ist, dass wir das Beste aus verschiedenen Welten vereinen. Unser Hummus ist eine Mischung aus israelischen und palästinensischen Rezepten. Unsere Falafel machen wir nach der Technik von Jalils Vater und der Gewürzmischung meiner Großmutter. Wenn beide unser Restaurant besuchen, finden sie sich in den Gerichten wieder. Wir nehmen also niemandem etwas weg, sondern wir verbinden es zu etwas noch Besserem. Manchmal servieren wir auch noch Kartoffeln dazu, denn schließlich sind wir in Deutschland und wir wollen auch den deutschen Vorlieben und Traditionen gerecht werden. Vor Kurzem haben wir ein gemeinsames Kochbuch veröffentlicht, das unsere beiden Welten verbindet.
Warum haben Sie das Restaurant eigentlich in Deutschland eröffnet?
Ben David: Ich finde, Deutschland ist auch ein wichtiges Symbol in unserer Geschichte. Meine Großmutter ist damals aus Rumänien vor den Nazis geflohen. Heute lebt ihr Enkel in der deutschen Hauptstadt. Wir versuchen, die Wunden gemeinsam zu heilen und können wieder miteinander und nebeneinander leben. Das ist für mich ein Zeichen, dass auch Israel und Palästina es schaffen können, dass das Verhältnis heilen kann. Nach jeder Tragödie stehen wir vor einer Entscheidung. Wir können uns von der Angst leiten lassen oder wir können an das Gute glauben, in die Menschlichkeit vertrauen. Der zweite Weg ist immer der schwierigere, der riskantere. Aber er ist es wert.