Botschafterin Dr. Anna Elisabeth Prinz in Australien
In der deutschland.de-Serie „Auf Posten“ gewähren Botschafter und hochrangige deutsche Mitarbeiter in internationalen Organisationen Einblicke in ihre Arbeit. Teil 25: Dr. Anna Elisabeth Prinz in Australien.
Welche Themen bestimmen derzeit die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Australien?
Bestimmend für die bilateralen Beziehungen ist derzeit die Umsetzung von Empfehlungen der hochrangigen Beratergruppe (AGAG), die nach dem Besuch von Bundeskanzlerin Merkel im November 2015 finalisiert wurden und historisch erstmals regelmäßige 2+2-Gespräche der Außen- und Verteidigungsminister vorsehen und intensive Zusammenarbeit in Strategiefragen, in der Wirtschaftspolitik, insbesondere Industrie 4.0 und Innovation in Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Unternehmen und Ausweitung der kulturellen Zusammenarbeit.
Thematisch ist daneben für Australier von Interesse, wie sich die Brexit-Entscheidung Großbritanniens auswirkt. Man ist besorgt, dass Großbritannien und durch die engen Verbindungen auch Australien an Einfluss und Marktzugang verlieren könnte. Entsprechend deutlich wächst das Interesse an einer Intensivierung der deutsch-australischen Beziehungen. Ein weiteres Thema ist die Sorge, unkontrollierte Flüchtlingsströme könnten Europa destabilisieren. Medienbilder aus 2015 haben sich tief eingeprägt und die Erfolge der gemeinsamen europäischen Anstrengungen und deutschen Antworten werden nur zögerlich wahrgenommen. Drittes Thema sind die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt durch Industrie 4.0. Obwohl im Bergbau bereits fast alle Vorgänge ferngesteuert ablaufen, ist die Diskussion über die Veränderungen in anderen Bereichen noch nicht so intensiv geführt worden wie in Deutschland, und es besteht großes Interesse, sich über innovatives Vorgehen auszutauschen.
Was verbindet Australien mit Deutschland auf besondere Weise und in welchen Feldern würden Sie die Beziehungen gern weiter vertiefen?
Australien und Deutschland teilen viele Ansichten und Grundwerte. Wir sind als wichtige Wirtschaftsnation Partner bei den G20, in der NATO und in vielen anderen Organisationen. Strategische Gespräche müssen daher angesichts wachsender Spannungen in mehreren Regionen der Welt, auch im nahegelegenen und für unsere Handelswege bedeutenden südchinesischen Meer, vertieft werden. Daneben gibt es besonderen Handlungsbedarf in der Forschungszusammenarbeit und der wirtschaftlichen Vernetzung, insbesondere mit Bezug auf neue Technologien und Industrie 4.0.
Australien ist besonders in der Medizinforschung weit fortgeschritten, hat zum Beispiel eines der besten Krankenhäuser und Forschungsstätten zur Krebsbehandlung in Melbourne, entwickelt Methoden, um über Sensoren-Implantate im Gehirn Prothesen zu steuern, stellt künstliche Ohren her, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir sind in Deutschland oft weiter in der technischen Umsetzung und Vermarktung von Erfindungen und daraus ergeben sich interessante Kooperationsmöglichkeiten. Ein großes weiteres Feld ist die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Firmen. Wenn unsere Studierenden ein Auslandssemester absolvieren, wollen viele auch praktische Erfahrungen in Firmen sammeln. Hier müssen neue Verbindungen geschaffen werden, die später die Grundlage für gemeinsame Forschung oder Zusammenarbeit in Firmen bilden oder auch die Start-up-Szene in beiden Ländern verbinden. Ein anderes Feld, in dem eine Zusammenarbeit entwickelt und vernetzt werden sollte, ist die Umwelttechnologie. Hier gibt es einerseits Nachholbedarf bei der Absicherung alternativer Energien in Australien, andererseits auch Vorreiterprojekte, wie zum Beispiel eine riesige Tomatenplantage in der Wüste, die von zwei Deutschen entwickelt wurde und nur mit Solarenergie betrieben wird. Allerdings tragen andererseits die erheblichen Kohleexporte Australiens, vor allem nach China, dort zu vermehrtem CO2 Ausstoß bei. In Zukunft will Australien stärker auf den umweltschonenderen Ausbau von Flüssiggasexporten setzen. Auch hier gibt es Ansätze für gemeinsame Projekte, die umweltschädliche Emissionen in nützliche Produkte umwandeln.
Ende 2015 hat eine „Deutsch-Australische Beratergruppe“ 59 Empfehlungen für die weitere Vertiefung der deutsch-australischen Beziehungen erarbeitet. Worum geht es dabei konkret, welche Fortschritte gibt es bereits?
Es geht dabei um die Vertiefung der Beziehungen auf allen Ebenen und mehr als die Hälfte der Empfehlungen ist bereits umgesetzt. Eine der Wichtigsten war die Entscheidung, alle zwei Jahre gemeinsame strategische Gespräche zwischen den Außen- und Verteidigungsministern abzuhalten. Das erste Treffen hat im September 2016 in Berlin stattgefunden, das nächste soll 2018 in Australien folgen. Dazwischen finden eine Reihe von Konferenzen und Gesprächen zu einzelnen Themen der Empfehlungen statt. Es ist wichtig, mit Freunden im Gespräch zu bleiben und nicht nur auf Krisen zu reagieren, sondern vorzuplanen, was man gemeinsam tun möchte und wo wir uns gegenseitig stärken wollen. Wichtig sind auch gemeinsame Arbeitsgruppen und Delegationsbesuche für Innovation und Forschung, Industrie 4.0 und zu Energiefragen und Umwelt. Australien hat außerdem angekündigt, 2017 innovative Kultur „Australia Now“ in Deutschland vorzustellen. Ein Zwischenbericht der Beratergruppe wird Kanzlerin Merkel und Premierminister Turnbull zum Jahresende durch die jeweiligen Beauftragten Staatsministerin Böhmer und Finanzminister Cormann vorgelegt.
Jedes Jahr besuchen fast 30.000 Deutsche unter 32 Jahren im Rahmen eines „Work and Travel“-Aufenthalts Australien. Wie sind die Beziehungen zwischen dem „jungen Deutschland“ und dem „jungen Australien“?
Es ist auffallend, wie wenig den jungen Leuten die Reiseentfernung ausmacht. Im Gegenteil, es wird als schön empfunden, eine Nacht und einen Tag im Flugzeug Filme anzuschauen und fast zum gleichen Preis wie in die USA oder nach Asien um die halbe Welt zu fliegen und in ein entferntes Paradies mit vielen Möglichkeiten und hohem Lohnniveau einzutauchen. Sie finden ihren Weg und verstehen sich gut und es gibt keine außergewöhnlichen Probleme. Dennoch sollten wir sichtbarer machen, dass es neben der Arbeit auf Farmen und in Restaurants für die „Work and Travel"-Studenten auch Möglichkeiten für „Study and Work" gibt. Daran wollen wir zusammen mit australischen Institutionen, der Handelskammer, dem DAAD, dem Goethe-Institut, Unternehmen und den diversen Konsulaten in Australien arbeiten. Es gibt viele Möglichkeiten, aber es ist nicht leicht, sie zu entdecken, man muss sie entwickeln.
Häufig unterscheiden sich Innensicht und Außensicht eines Landes. Was muss nach Ihren persönlichen Erfahrungen mal über Australien gesagt werden?
Ich bin erst seit wenigen Monaten Botschafterin in Australien und dabei, in Antrittsbesuchen in den einzelnen Staaten den Kontinent zu erkunden, wobei ich aufgrund der Größe des Kontinents oft mehrere Tage unterwegs bin, bis hin nach Papua-Neuguinea, Nauru, Vannuatu und den Salomonen, wo ich auch akkreditiert sein werde. Wenn ich auf früheren Posten mehr Zeit am Schreibtisch verbracht habe, ist es hier umgekehrt. Es fällt schwer, das Potential des Kontinents angemessen zu beschreiben. Von außen wirkt Australien wie ein europäisches Land, dass durch enormen Rohstoffreichtum und sehr hohe Löhne, durch seine Freundlichkeit und westliche Strukturen vertraut wirkt. Was ich auf meinen Reisen sehe, ist in der Innensicht ein Kontinent, der weiterhin voller unentdeckter Möglichkeiten für Pioniere steckt - mit unbekanntem Ergebnis und weiterhin starker asiatischer Zuwanderung und Verknüpfung mit Wachstumsregionen. Es ist gut, dass wir den politischen und strategischen Dialog mit Australien intensivieren. Für viele Asiaten ist Australien der Kontinent, auf dem die neuen Führungseliten ausgebildet werden, wo europäische und amerikanische Erfahrungen ins asiatische übersetzt werden, von wo aus Innovationen asiatische Wachstumsmärkte erreichen. In der Außenperspektive wird Australien immer noch als britische Kolonie in Asien wahrgenommen und diese Attribute werden auch in australischen Traditionen sichtbar. Aus der Innenperspektive sehe ich einen Kontinent im Wandel in Richtung Asien mit deutlicher weiterer Zuwanderung und Verknüpfung der Märkte.