Feministische Außenpolitik: Gleichberechtigung stärken
Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze legen Leitlinien für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik vor.
Die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik richtet sich künftig stärker an feministischen Kriterien aus, um weltweit Gleichberechtigung und gleichberechtigte Teilhabe sowie Frieden und Sicherheit zu stärken. Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze legten dafür einen 80 Seiten umfassenden Katalog zu Leitlinien einer feministischen Außenpolitik vor. Und dabei geht es nicht um „Außenpolitik für Frauen, sondern für alle Mitglieder der Gesellschaft“, wie Baerbock betonte.
Was bedeutet feministische Außenpolitik?
Als Vorreiter der feministischen Außenpolitik gilt Schweden, das wie einige andere Länder bereits eine feministische Außenpolitik praktiziert. Auch Kanada, Frankreich, Luxemburg, Mexiko und Spanien verfolgen eine explizit feministische Außenpolitik. Deutschland setzte sich schon in der Vergangenheit in der Außen- und Entwicklungspolitik stark für die Rechte von Frauen und Mädchen sowie für Gendersensibilität ein, mit den neuen Leitlinien soll nun das internationale Engagement für Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe noch entschiedener und gezielter umgesetzt werden.
Kristina Lunz vom Centre for Feminist Foreign Policy gehört in Deutschland zu den Vordenkerinnen für feministische Außenpolitik, sie hält eine Neuausrichtung auch angesichts der Kriege und Konflikte weltweit für notwendig: „Die traditionellen Ansätze von Außen- und Sicherheitspolitik haben uns nur dazu geführt, dass sich die Zahl der Konflikte weltweit in den letzten Jahren verdoppelt hat“, sagte Lunz dem deutschen Fernsehsender ARD. Baerbock hob hervor: Das Konzept sei integraler Teil der wertegeleiteten Außenpolitik und solle sich „im Sinne eines umfassenden Verständnisses von Sicherheit“ auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie widerspiegeln.
Welche Rolle spielen Frauen für Frieden und Sicherheit?
Frauen leisten in vielen Krisengebieten wichtige Arbeit: Sie schaffen geschützte Räume, setzen sich gegen Gewalt ein und prangern Missstände an. Ohne den mutigen Protest der Frauen in Belarus oder Iran wären die Repressionen dort nicht in dem Maße in den Fokus der Weltöffentlichkeit gelangt. Deutschland setzt sich mit seiner Politik deshalb auch für die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden, Sicherheit“ der Vereinten Nationen ein und hat entsprechende Nationale Aktionspläne beschlossen.
Schon im Koalitionsvertrag hatte die Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP 2021 festgehalten: „Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern. Wir wollen mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden, den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der VN-Resolution 1325 ambitioniert umsetzen und weiterentwickeln.“
Was ändert sich in der Außenpolitik?
Ziel der feministischen Außenpolitik ist es laut Baerbock, bis zum Ende der Legislaturperiode 85 Prozent der Projektmittel „gendersensibel“ auszugeben, so dass Frauenrechte gestärkt und Belange von Frauen unmittelbar einbezogen werden. So soll etwa bei humanitärer Hilfe berücksichtigt werden, dass Frauen beispielsweise andere Hygieneartikel brauchen als Männer. Zwei Drittel des Gesamthaushalts von rund 7,5 Milliarden Euro sind Projektmittel, diese etwa 5 Milliarden Euro sollen künftig unter dem Schlagwort Gender-Budgeting ausgegeben werden.
In sechs Leitlinien für eine feministische Außenpolitik heißt es: „Wir integrieren die Perspektiven von Frauen und marginalisierten Gruppen in unsere weltweite Arbeit für Frieden und Sicherheit.“ Auch die zentrale Rolle von Frauen in der Klimapolitik wird hervorgehoben: Frauen und diverse gesellschaftliche Gruppen seien „wichtige Akteur*innen und Führungspersonen unserer Klima- und Energiediplomatie“. Zudem sollen die Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen ausgeglichen werden. Laut den Vereinten Nationen waren 2021 bis zu 80 Prozent der Menschen, die aufgrund von klimabedingten Katastrophen fliehen mussten, Frauen.
Welche Rolle spielen Frauen im Auswärtigen Dienst?
Auch im Auswärtigen Amt hat die Neuausrichtung konkrete Folgen: So soll der Posten einer „Botschafterin des Auswärtigen Amts für feministische Außenpolitik“ geschaffen werden, um damit vor allem nach innen zu wirken. „Wir werden hart daran arbeiten, unserem Auswärtigen Dienst ein weiblicheres Gesicht zu geben und den Anteil von Frauen in Führungsfunktionen erhöhen“, kündigt die Ministerin an.
Wie sieht die künftige feministische Entwicklungspolitik aus?
„Wenn Frauen gleichberechtigt sind und gleiche Verantwortung tragen, gibt es weniger Armut, weniger Hunger und mehr Stabilität in der Welt“, beschreibt Entwicklungsministerin Schulze den gendersensiblen Ansatz. Ihre Leitlinien sehen vor, dass bis 2025 mehr als 90 Prozent der neu zugesagten finanziellen Ressourcen in Vorhaben fließen, die die Gleichstellung voranbringen. Das Konzept der feministischen Entwicklungspolitik soll in der Zusammenarbeit mit den Partnerländern verankert werden. Mindestens 50 Prozent der Führungspositionen im Ministerium sollen mit Frauen besetzt werden.
(mit dpa)