Die Meere gemeinsam erforschen
Wie verändert der Klimawandel das fragile Ökosystem der Meere? Das wollen drei deutsch-chinesische Forschungsprojekte herausfinden.
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Gesundheit der Korallen im Fokus – das Projekt „Biocomp“
Er kennt sich aus mit deutsch-chinesischen Kooperationen: Dr. Thomas Pohlmann vom Institut für Meereskunde der Universität Hamburg. Seit 30 Jahren arbeitet er mit Forschenden aus China zusammen, derzeit im bilateralen Projekt „Biocomp“. Es konzentriert sich auf die Gesundheit von Korallen in der Dongshan Bay im Südosten Chinas und den Einfluss des Klimawandels auf Korallen. Thomas Pohlmann und sein Mitarbeiter konnten weltweite Klimadaten so herunterrechnen, dass sie speziell für die Dongshan Bay angewendet werden können.
„Die Klimamodelle deuten darauf hin, dass es durch den Klimawandel in Zukunft mehr Taifune in einer Saison geben wird“, sagt Pohlmann. Die starken Stürme gehen mit viel Niederschlag einher und bringen damit mehr Süßwasser ins Meer. Das beeinflusst den Salzgehalt. „Im Jahr 2024 gab es drei Taifune innerhalb weniger Wochen allein in der Dongshan Bay – das hat mich selbst überrascht.“ Die chinesischen Forschenden untersuchten die Korallen vor und nach jedem Taifun und stellten fest, dass diese zunehmend blasser aussahen, es ihnen also schlechter ging. „Wenn solche starken Ereignisse innerhalb so kurzer Zeit auftreten, haben die Korallen nicht die Möglichkeit, sich zu erholen“, erklärt Pohlmann. Über ihre Erkenntnisse tauschen sich die deutschen und chinesischen Forschenden digital in monatlichen Konferenzen aus: „Wir ergänzen uns sehr gut. Die chinesischen Kolleginnen und Kollegen kennen sich besser mit der biologischen Seite aus, unser Schwerpunkt liegt auf dem Klima.“
Deutsch-chinesische Zusammenarbeit in der Meeresforschung
Die Zusammenarbeit in der Meeresforschung zwischen Deutschland und der Volksrepublik China begann schon 1986. Seit 2013 werden bilaterale Förderprojekte aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Staatlichen Meeresbehörde SOA bzw. dem Ministry of Natural Resources in China umgesetzt.
Wie Luftverschmutzung das Meer verändert – das Projekt „Airspace“
Im Projekt „Airspace“ konzentrieren sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Elemente Wasser und Luft. „Wir erforschen, ob Luftschadstoffe wie Ozon, die sich auf der Meeresoberfläche anlagern und mit ihr reagieren können, die Freisetzung bestimmter Verbindungen beeinflussen“, sagt Projektmitarbeiterin Dr. Manuela van Pinxteren. Bestimmte Verbindungen aus dem Meer könnten winzige Aerosolpartikel wachsen lassen, die dann wiederum die Wolkenbildung und das ganze Klima beeinflussen. Dabei spielen Schadstoffe in der Luft und im Wasser eine Rolle. „Wir möchten besser verstehen, wie menschliche Aktivitäten und natürliche Prozesse über den Ozeanen sich gegenseitig beeinflussen.“
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Der Vergleich zwischen den beiden Forschungsregionen – Helgoland in der Nordsee und der Golf von Bohai im südchinesischen Meer – sei dafür perfekt. Beide Gebiete sind von starkem Schiffsverkehr geprägt. Doch während die Luftmassen bei Helgoland relativ sauber seien, werde die Küstenregion im südchinesischen Meer stark durch Luftverschmutzung und Schadstoffe aus Flüssen beeinflusst. Während die chinesischen Forschenden stärker die marinen Aspekte untersuchen, liegt der Fokus der deutschen Forschenden auf der Atmosphäre.
Unterschiedliche Expertisen und Ressourcen nutzen
„Die Interaktion zwischen Ozean und Atmosphäre ist so komplex, dass sie einen interdisziplinären Zugang erfordert“, sagt Likun Xue, Professor am Umweltforschungsinstitut der Shandong University. „Airspace ermöglicht eine synergetische Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem chinesischen Team und nutzt die unterschiedlichen Expertisen und Ressourcen für diese Aufgabe.“ Die ersten großen Messkampagnen in beiden Ländern sind abgeschlossen, und eines ist bereits deutlich: Die durch den Klimawandel ausgelösten steigenden Temperaturen auf der Erde sowie die Emissionen aus Schiffsabgasen und Abwasser beeinflussen das fragile Zusammenspiel aus Meerwasser und Luft entscheidend. „Airspace“ will nun herausfinden, was genau dabei passiert.
Naturphänomene im Kohlenstoffkreislauf – das Projekt „NECO“
Wie beeinflussen Starkregen, Stürme, Hochwasser und Hitzewellen das Ökosystem von Meeren und Küsten – und letztlich den Kohlenstoff-Kreislauf? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Forschenden des bilateralen Forschungsprojekts „NECO“, das sowohl in der Nordsee als auch im Ostchinesischen Meer umgesetzt wird. „Wir haben in beiden Regionen schon viel geforscht und ausführliches Datenmaterial aus mehreren Jahrzehnten vorliegen“, erklärt Projektleiter Dr. Wenyan Zhang vom Helmholtz-Zentrum Hereon.
Im Projekt geht es auch um Meereshitzewellen – so wird eine relativ lange Zeitspanne ungewöhnlich hoher Temperaturen in einer Region bezeichnet. Diese träten seit einigen Jahrzehnten häufiger und andauernder in der Nordsee auf, vor allem im südlichen Teil, erklärt Wenyan Zhang. Zusammen mit sieben Mitarbeitenden konnte er jetzt herausfinden, dass sich in dieser Periode der CO2-Austausch zwischen Atmosphäre und Ozean deutlich verändert. Was die Gründe und möglichen Folgen sein könnten, analysiert das Team zurzeit.
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Im März 2025 treffen sich die deutschen Forschenden des Projekts mit ihren chinesischen Kolleginnen und Kollegen, um ihre Ergebnisse zu vergleichen und sich auszutauschen. „Ich glaube, meine chinesische Herkunft hilft bei der Zusammenarbeit“, sagt der Wissenschaftler, der in China geboren und aufgewachsen ist, seine akademische Laufbahn aber in Deutschland absolviert hat. „Deutsche und chinesische Wissenschaftler haben oft eine unterschiedliche Denk- und Herangehensweise. Ich verstehe beide Seiten.“ Nach Abschluss der Forschungsphase wollen die Teams ihre Ergebnisse an hochrangige Interessenvertreter weitergeben. „Wir hoffen, dass wir so zum Schutz der Küsten und Meere beitragen können.“