Hamburger aus Zuckerrüben und Pilzen
Ein deutsch-chinesisches Forschungsprojekt möchte aus Pflanzenresten Fleischersatz produzieren. Als Superpower im Einsatz: essbare Pilze.
Fleischersatz aus Pflanzenresten? Sollte das deutsch-chinesische Kooperationsprojekt der Universitäten Hohenheim und Fuzhou unter Leitung von Professorin Yanyan Zhang Erfolg haben, könnte diese Vision bald Wirklichkeit werden. Ein Gespräch über Chancen und Herausforderungen sowie Stärken von internationaler Kooperation – und die Alleskönner Pilze.
Frau Professor Zhang, Sie forschen mit Hilfe von Pilzen daran, aus Blattproteinen innovative Fleischersatzprodukte nachhaltig herzustellen. Welches Potenzial liegt in Ihrer Forschung?
Yanyan Zhang: Sollte es uns tatsächlich gelingen, durch den Einsatz von Pilzen die Zellwände der Pflanzen aufzubrechen und das Protein zu extrahieren, wäre das ein Durchbruch. Dann könnten wir aus egal welchen Pflanzenresten hochwertige Lebensmittel schaffen. Aktuell konzentriert sich unsere Forschung hier in Deutschland auf Blattabfälle der Zuckerrübe, unsere chinesischen Kooperationspartner arbeiten mit Teeblättern. Wir sind dabei, eine richtige Pilz-Biofabrik aufzubauen!
Worin liegen die Herausforderungen?
Um Konsumenten zu überzeugen, pflanzliche Alternativen für Fleisch zu wählen, muss das Gesamtpaket stimmen – also nicht nur der Geschmack, sondern auch die Textur, das Aussehen und möglichst auch die Eigenschaften beim Verarbeiten, beim Kochen zum Beispiel. Mein fachlicher Hintergrund ist die Aromachemie, und auch hier bieten Pilze ein riesiges Potenzial. Man kann durch Pilze und ihre Fermentierung das Aroma gezielt verändern, dann schmecken sie wie Fleisch oder Käse. Um diese Aroma-Modulationen vorauszusagen und zu steuern, nutzen wir Künstliche Intelligenz. Unsere Forschung könnte den Einsatz künstlicher Aromen überflüssig machen und gleichzeitig einen Beitrag dazu leisten, dem Klimawandel zu begegnen. Fleisch verursacht in der Produktion viel Kohlenstoffdioxid. Das würde komplett wegfallen. Unsere Pilz-Biofabrik ist zudem ressourcenschonender als herkömmliche Produktionssysteme zur Herstellung von Proteinextrakten. Sie verbraucht viel weniger Energie und Chemikalien.
Ihre Forschung wird seit März 2024 und bis 2027 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Was ist durch diese Unterstützung möglich?
Wir wollten diese Förderung unbedingt erreichen, da sie die Kosten für meinen Doktoranden und große Teile der eingesetzten Verbrauchsmaterialien tragen. Später könnte vielleicht noch eine zweite Stelle in China dazukommen. Diese würde dann über unseren chinesischen Projektpartner finanziert werden. Wir brauchten allerdings drei Anläufe, bis wir die Förderung letztlich erhalten haben. Den ersten Antrag hatten wir 2019 eingereicht. Umso glücklicher sind wir jetzt!
Wie kam es zur bilateralen Zusammenarbeit mit der Universität Fuzhou?
Ich habe die Kolleginnen und Kollegen auf einer Konferenz kennengelernt. Wir hatten damals schon ambitionierte Ansätze, den Geschmack nach Gras oder Blättern alternativer Proteine abzustimmen, einschließlich des Blattproteins – aber wir konnten das Protein nicht isolieren, wir kamen einfach nicht weiter. Das chinesische Forschungsteam ist auf Proteine spezialisiert und hat dementsprechend viel mehr Expertise darin. Die Zusammenarbeit war also sehr naheliegend und für beide Seiten ein Gewinn.
Wie sieht die Arbeit im deutsch-chinesischen Team aus?
Meine Arbeit besteht generell zu 80 bis 90 Prozent aus nationalen und internationalen Kooperationen, das ist also mein Arbeitsalltag und ganz normal für mich. Durch Zusammenarbeit kommt man immer weiter, jeder hat eine eigene Expertise. Unsere Konversationssprache ist Englisch, so wie auch die meiste Forschungsliteratur. Einmal im Jahr können wir uns gegenseitig in Deutschland oder China besuchen, ansonsten läuft der Austausch meist per Online-Meetings oder E-Mail ab.
Sie kamen selbst vor 13 Jahren für Ihre Promotion ans Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen und forschten zu alkoholfreien Getränken. Dafür erhielten Sie 2016 den Gerhard-Billek-Preis für die beste Dissertation im Fach Lebensmittelchemie.
Ich genieße es, in Deutschland zu leben und zu forschen. Mir gefällt die Offenheit und auch die Direktheit der deutschen Kolleginnen und Kollegen, für mich ist das ein großer Wert. Denn für mich sind drei Aspekte in einer Zusammenarbeit entscheidend: Transparenz, Optimismus und Ehrlichkeit. Wenn man nicht ehrlich und offen miteinander spricht, hat eine Zusammenarbeit keine Chance.
Seit 2022 arbeiten Sie als wissenschaftliche Gutachterin für die Stipendienvergabe im Landesgraduiertenförderungsgesetz an der Universität Hohenheim. Worauf schauen Sie bei der Entscheidung – und welche Ideen haben Sie in der Vergangenheit begeistert?
Seit 2022 suchen wir als Gutachter für das Landesgraduiertenförderungsgesetz an der Universität Hohenheim nach Kandidaten, die eine hohe akademische Exzellenz und ein klares Forschungspotenzial aufweisen und das Potenzial haben, einen gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Einfluss auszuüben. Innovative interdisziplinäre Ideen, die sich kreativ und praxisnah mit den drängenden globalen Herausforderungen der Ernährung auseinandersetzen, haben mich schon oft inspiriert.
Prof. Dr. Yanyan Zhang
leitet das Fachgebiet für Aromachemie an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Ihren Bachelor und Master absolvierte sie an der Northeast Agricultural University in China, einer der wichtigsten Agraruniversitäten des Landes. Vor ihrer Professur 2023 arbeitete sie als Junior Professorin mit Tenure Track im Fachgebiet Aromachemie an der Uni Hohenheim. Ihre Promotion erlangte sie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.