Investitionen in die globale Impfstoffgerechtigkeit
In Ruanda baut das deutsche Biotechnologieunternehmen Biontech die erste kommerzielle Impfstofffabrik Afrikas auf.
Sie leben internationale Vernetzung: Wir stellen Menschen und Unternehmen vor, die für Deutschlands Partnerschaften weltweit stehen. Denn globale Aufgaben lassen sich nur gemeinsam bewältigen.
Wohl selten hat die Eröffnung eines Unternehmensstandortes so viel internationale Politprominenz angezogen wie der Start des deutschen Unternehmens Biontech in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Im Dezember 2023 reisten neben der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der Präsident der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki, der ruandische Präsident Paul Kagame und weitere afrikanische Staats- und Regierungschefs an. Seitdem wird weiter gebaut, Ende 2024 soll hier eine fertige Impfstofffabrik stehen.
Und nicht nur das: „Wir wollen ein ganzes Ökosystem für Impfungen in Afrika aufbauen“, sagte Uğur Şahin, Mitgründer des deutschen Biotechnologieunternehmens Biontech, bei der Eröffnung. Wie sehr es an einem solchen „Ökosystem“ auf Europas südlichem Nachbarkontinent bisher mangelt, hat spätestens die Corona-Pandemie mit tödlicher Härte bewusst gemacht.
Seit der Pandemie ist Biontech ein Name, den nicht nur Brancheninsider kennen: Das bis dahin relativ kleine, forschungsorientiere Unternehmen aus Mainz entwickelte gemeinsam mit dem US-amerikanischen Pharmakonzern Pfizer einen hochwirksamen mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2.
Impfstoffe gerechter verteilen
Auch andere Firmen brachten Vakzine auf den Markt, aber die Produktionskapazitäten der wenigen Unternehmen blieben weit hinter dem großen internationalen Bedarf zurück. In Afrika, Asien und Lateinamerika wuchs die Kritik an der ungerechten weltweiten Verteilung der lebensrettenden Impfstoffe, auch europäische Politikerinnen und Politiker setzten sich für eine globale Impfgerechtigkeit ein. Die vielfach geforderte Abschaffung von Patenten lehnten die Biontech-Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci ab, ebenso wie andere Pharmaunternehmen: Die Weitergabe der erforderlichen Technologie für die Produktion sei derart langwierig, dass sie im Kampf gegen Covid-19 ohnehin nicht mehr helfen werde. Zudem sei Pharmaforschung so zeitaufwändig und teuer, dass eine Abschaffung der Patente die Unternehmen entmutigen werde, künftig noch Energie in die Erforschung neuer Medikamente zu stecken. Stattdessen, versprach Şahin, werde Biontech gemeinsam mit afrikanischen Regierungen und Fachleuten eine afrikanische Produktionskette aufbauen.
Impfstoffe auch gegen Malaria, HIV und Tuberkulose
In Ruanda fängt das deutsche Unternehmen nun an, sein Versprechen einzulösen. Biontech steckt 150 Millionen Euro in seine erste Produktionsanlage auf dem afrikanischen Kontinent, nach Fertigstellung sollen dort 100 Fachkräfte arbeiten. Der Corona-Impfstoff steht bei der Produktion dort längst nicht mehr im Vordergrund, sondern Vakzine gegen andere Krankheiten, die den afrikanischen Kontinent zum Teil viel stärker betreffen als Europa: Malaria, Mpox (ehemals „Affenpocken“), Tuberkulose, HIV. Grundlage aller Vakzine ist die mRNA-Technologie, die mit der Corona-Pandemie weltbekannt wurde. Malaria, Tuberkulose und HIV sind in Afrika weit verbreitet und jährlich für mehr als zwei Millionen Todesfälle verantwortlich, viele davon bei Kindern.
Wie die Impfstoffe in Ruanda hergestellt werden
Für den Aufbau seines „Impfstoff-Ökosystems“ hat Biontech eine modulare Fertigungstechnik entwickelt. Die Fabrik in Kigali wird aus zwei mobilen Produktionseinheiten bestehen, die das Unternehmen „Biontainer“ nennt. In diesen Containern befindet sich der hermetisch abgeriegelte „Reinraum“: der Ort der eigentlichen Herstellung des Vakzins. Das Umfüllen in kleine Glasfläschchen mit sechs Dosen für die Verwendung in Arztpraxen und Impfstationen soll außerhalb der Container in lokalen Fabriken erfolgen. Der erste „Biontainer“ wurde bereits im Dezember 2023 in der Produktionshalle aufgestellt.
Weitere Fabriken in Afrika
Mit der Produktion will Biontech 2025 beginnen. Die Produktionsmenge hängt vom jeweiligen Vakzin ab. Bei einem Produkt, das dem Covid-19-Impfstoff von Pfizer-Biontech ähnelt, wären 50 Millionen Dosen jährlich zu leisten, sagt Şahin. Die Anlage in Kigali ist Meilenstein und Pilot zugleich: Sobald sie erfolgreich läuft, will Biontech weitere Fabriken auf dem afrikanischen Kontinent bauen, die womöglich sogar größere kommerzielle Kapazitäten haben.
Zu dem kompletten „Ökosystem“ gehören auch klinische Studien auf dem afrikanischen Kontinent, wie Şahin betont. Für Tuberkulose und Malaria-Impfstoffkandidaten laufen klinische Studien bereits in Südafrika beziehungsweise den USA. Noch 2024 möchte Biontech auf dem afrikanischen Kontinent klinische Studien für Impfstoffkandidaten gegen Malaria, Tuberkulose und HIV vornehmen.
Wie Deutschland die Produktion unterstützt
Deutschland unterstützt den Aufbau der Impfstoffproduktion in Ruanda mit fast 36 Millionen Euro für die Ausbildung der dafür notwendigen Fachkräfte und die Stärkung der zuständigen Regulierungsbehörde. Zusätzliches Geld wird in den Aufbau weiterer Kapazitäten in anderen afrikanischen Ländern fließen. Anlässlich dieser Entwicklungen sprach Ruandas Präsident Paul Kagame im Dezember 2023 von einer internationalen „Demokratisierung“ der Impfstoffproduktion.