„Deutschland hat globale Anziehungskraft“
DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee über akademischen Austausch in Krisenzeiten und Deutschlands Attraktivität für internationale Studierende und Forschende.

Herr Professor Mukherjee, der DAAD feiert sein 100-jähriges Bestehen in herausfordernden Zeiten. Internationale Zusammenarbeit wird von Kriegen und Konflikten erschwert, und auch etablierte Wissenschaftsbeziehungen wie die zwischen Deutschland und den USA stehen unter Druck. Was bedeuten diese Entwicklungen für den weltweiten akademischen Austausch?
Wenn wir zunächst beim Beispiel USA bleiben: Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor ein sehr wichtiges Partnerland. Der aktuelle Kurs der Trump-Administration macht uns Sorgen, was die notwendige Offenheit für akademischen Austausch und die Förderung der Wissenschaft anbelangt, aber demgegenüber intensivieren wir erst recht unser Engagement in den USA. Wir sind mit einer Außenstelle in New York vertreten und mit einem Informationszentrum in San Francisco; in beiden Städten leitet der DAAD zudem ein Deutsches Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH). In den USA sind unter anderem die DAAD-Programme „RISE Germany“ und „RISE Professional“ mit starkem Praxisbezug besonders gefragt. Sie vermitteln Forschungspraktika an deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen beziehungsweise in deutschen Unternehmen. Deutschland hat weiterhin globale Anziehungskraft: als zweitattraktivstes Land für Forschung und Wissenschaft weltweit und als drittattraktivstes Land für internationale Studierende.
Wir bieten gezielt Programme für verfolgte und bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an.
Wie geht der DAAD mit Konflikt- und Kriegsgebieten um?
Wir versuchen, auch in extremen Situationen Studium und Forschung so lange wie möglich zu fördern. So haben wir seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mehrere Programme zur Förderung des deutsch-ukrainischen Austauschs aufgelegt. Das reicht von Angeboten zur digitalen Fortsetzung des Studiums in der kriegsversehrten Ukraine bis zu dem Ende 2024 gestarteten Programm „Deutsch-Ukrainisches Hochschulnetzwerk“, mit dem Kooperationen zwischen Hochschulen beider Länder gestärkt werden. Mit dem Hilde-Domin-Programm und SAFE („Supporting At-risk researchers with Fellowships in Europe“), das wir mit Partnerorganisationen aus Frankreich und Italien betreiben, bieten wir auch gezielt Programme für verfolgte und bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an. Und mit einem weiteren Programm unterstützen wir insbesondere afghanische Frauen, denen ein Studium in ihrem Heimatland verboten ist.
Wie stellt sich der DAAD in seinem Jubiläumsjahr für die Zukunft auf?
Wir haben Anfang 2025 unsere „Strategie 2030“ veröffentlicht, die unsere Schwerpunkte für die kommenden fünf Jahre festlegt: Wir stärken den Wissenschafts-, Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland – zum Beispiel mit unserer „Campus-Initiative Internationale Fachkräfte“, die dabei hilft, internationale Studierende und Graduierte noch besser auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Zusammen mit unseren Partnern weltweit entwickeln wir Lösungen für gemeinsame Herausforderungen, etwa mit den Globalen Zentren für Klima und Umwelt sowie Gesundheit und Pandemievorsorge. Und wir fördern Wissenschaftsdiplomatie, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Damit sehen wir uns gut aufgestellt für die Herausforderungen einer sich gravierend verändernden, zunehmend multipolar geprägten Welt.