Zum Hauptinhalt springen

Die Sprache der Nachbarn lernen

Deutsch lernen in Polen – das Goethe-Institut schafft Netzwerke und sorgt auch für den Spaß beim Spracherwerb.

Gunda Achterhold, 15.02.2023
Deutsch lernen – in Polen machen zwei Millionen Menschen Kurse.
Deutsch lernen – in Polen machen zwei Millionen Menschen Kurse. © AdobeStock

Der polnische Torhüter Rafał Gikiewicz bereut es heute, nicht schon früher Deutsch gelernt zu haben. Seit 2014 spielt er in der Fußball-Bundesliga, aktuell beim FC Augsburg. Am Anfang konnte er sich auf dem Platz nur schwer verständigen und wusste nicht immer, was der Trainer von ihm wollte. „Ich habe zu spät gemerkt, wie wichtig das Erlernen von Sprachen ist“, stellte der in Olsztyn geborene Fußballer fest. „Man weiß schließlich nie, wohin einen das Leben führt.“

Für Fußballfans in Deutschland ein Begriff: Rafał Gikiewicz.
Für Fußballfans in Deutschland ein Begriff: Rafał Gikiewicz. © picture alliance/dpa

 Mindestens zwei Millionen Menschen in Polen lernen Deutsch

Fast zwei Millionen Menschen in Polen lernen in sogenannten „institutionalisierten Lehr- und Lernvorgängen“ Deutsch. Das heißt, sie nehmen ganz offiziell an Kursen teil und legen zum Teil auch Prüfungen ab. „Die positive Dunkelziffer liegt sicher sehr viel höher“, vermutet Maximilian Weiß, Experte für Unterricht am Goethe-Institut in Warschau. Schließlich werden Sprachen auch auf privater Ebene gelernt, im Freundeskreis oder in gemischtsprachigen Partnerschaften beispielsweise. „Deutsche und Polen stehen einander sehr viel näher als viele glauben“, so Weiß. „Gemeinsame (Familien-)Geschichten und eine große deutsche Minderheit in Polen sorgen neben wachsenden Wirtschaftsbeziehungen für ein dichtes Netz an Kontakten.“

Influencer, Videos oder Popbands helfen beim Lernen

An mehr als 10.500 Grundschulen, 6.000 Lyzeen und 350 Kindergärten in Polen werden Deutschkenntnisse vermittelt, die Goethe-Institute in Warschau und Krakau arbeiten mit allen Bildungseinrichtungen zusammen. Neben einer Vielzahl von Sprachkursen, Prüfungen und international anerkannten Sprachzertifikaten für alle Lernstufen von A1 bis C2 decken die Angebote an den beiden Standort ein breites Spektrum an Formaten ab: An der digitalen Kinderuni finden schon die Kleinsten Antworten auf viele spannende Fragen, Jugendliche lernen Deutsch mit Tracks der Band „ok.danke.tschüss“ oder setzen sich mit polnischen Graphic Novels auseinander. Das Deutschlandlabor, ein in Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle weltweit entstandenes Projekt, nimmt seine Online-Community mit auf eine Entdeckungsreise durch ganz Deutschland, auf Tiktok gibt die polnische Influencerin Asia ihre Tipps zum Deutschlernen weiter. Mit Humor und Wortwitz spielen Inhalte der Kurse ebenso wie Online-Formate mit gängigen Klischees, zeigen ein vielfältiges Bild des Nachbarlandes und vermitteln ganz nebenbei, das Deutschlernen Spaß machen kann.

Goethe Institut Warschau

 

Mit Klischees spielen

„Thematisch haben unsere Projekte immer einen Bezug zum Land“, betont Maximilian Weiß. „Wir machen sie mit und für unsere polnischen Partner.“ Als Mitarbeiter der Bildungskooperation Deutsch hat er vor allem die Weiterbildung von Lehrkräften im Blick. Ein wichtiger Bereich ist dabei die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien, sie orientieren sich an der Lebenswelt und den Interessen polnischer Schülerinnen und Schüler.  „Deutschland wird als ein modernes Land präsentiert, in dem sich eben nicht immer alles um Arbeit, Bratwurst und Kehrwoche dreht“, so Weiß. In seinem Büro hängen bunte Plakate mit den Slogans der Imagekampagne „Język Twojej Pasji“, mit der das Goethe-Institut 2020 und 2021 zusammen mit anderen Kulturmittlern für das Deutschlernen warb: Liebst du Mode, träumst du von der großen Bühne, möchtest du den Planeten retten? „Wir haben gezeigt, dass es in Deutschland eine starke Öko-Beauty-Kultur gibt, einen großen Musikmarkt und innovative grüne Ideen, die auf eine lange Tradition zurückgehen.“ Junge Polinnen und Polen machten mit, bloggten und posteten ihre eigenen Geschichten dazu. Influencerin Joanna Kosidlovska entdeckte die deutsche Gaming-Szene für sich und chattet bei „Counter Strike“ leidenschaftlich gerne auf Deutsch; Schiedsrichterin Karolina Bojar-Stefańska pfiff in der Bundesliga, weil sie die Sprache der Spieler konnte.

Wir erreichen Menschen im ganzen Land.
Maximilian Weiß, Goethe-Institut in Warschau

Im Zuge der Pandemie gewannen digitale Formate und Social Media in der Arbeit der Goethe-Institute in Polen stark an Bedeutung, sowohl in der Ausbildung als auch in der Ansprache ihrer Zielgruppen. Fanden die Sprachkurse vor Corona noch überwiegend in Präsenz statt, haben sich die Verhältnisse seitdem umgekehrt. Deutschlernen ist jetzt auch ortsunabhängig leichter möglich, mehr als die Hälfte der Sprachkurse sind inzwischen online. „Für unsere Arbeit ist das ein Segen, denn wir erreichen Menschen im ganzen Land“, sagt Maximilian Weiß. „Auch Schulen in der Region können wir jetzt viel besser einbinden.“ Veranstaltungen in der Bildungsarbeit finden inzwischen überwiegend hybrid statt. Lehrkräfte, die früher nach Warschau oder Krakau fahren mussten, schalten sich nun einfach zu.

„Deutsch 4.0“ – in virtuelle Lernwelten eintauchen

Austausch und Unterricht in Präsenz sollen jedoch auch in Zukunft nicht zu kurz kommen. Mit der digitalen Kampagne „Deutsch 4.0“ spannt das Goethe-Institut in Polen den Bogen hin zu hybriden Ereignissen. Virtual Reality-Technologien sollen künftig Anreize zum spielerischen Deutschlernen setzen: Vor Ort, an Schulen oder an den Goethe-Standorten tauchen Schülerinnen und Schüler in virtuelle Lernwelten ein, programmieren in deutschsprachigen Workshops mithilfe versprachlichter Befehle und gehen per App auf die Reise in den digitalen Raum. Eingesetzt werden dabei sogenannte „Merge Cubes“, holografische Würfel, die in der Hand gehalten und per App aktiviert werden können. Durch die Kombination von VR und natürlichen Bewegungen, lässt der Würfel die reale und die digitale Welt verschmelzen. Lernende können selbst entscheiden, wohin die Reise gehen soll – ob sie deutsche Vokabeln lernen, „Wenn, dann-Sätze“ üben oder etwas über das Brandenburger Tor erfahren wollen.

„Deutsch-Plus“ – ein Netzwerk mit 280 Schulen

So verändert der digitale Wandel auch das Deutschlernen in Polen. Wobei es am Ende doch immer auf die Menschen ankomme, betont Unterrichts-Experte Maximilian Weiß. „Es sind die Leiter und die Lehrkräfte der Schulen, die das Bild von Deutschland entscheidend prägen.“ Hier setzt das 2019 vom Goethe-Institut etablierte Netzwerk „Deutsch Plus“ an, zur Unterstützung von Schulen, die sich besonders für Deutsch engagieren. Strukturelle Veränderungen im Bildungswesen hatten den Fremdsprachenunterricht an öffentlichen Schulen in Polen in den letzten Jahren stark eingeschränkt, die Konkurrenz zu anderen Zweitsprachen wie Spanisch oder auch Chinesisch führte zu einer drastischen Reduzierung der erteilten Deutschstunden. Inzwischen sind 280 Schulen im ganzen Land Teil des Netzwerks „Deutsch Plus“ und machen sich gemeinsam stark für das Erlernen der deutschen Sprache. Polenweite Wettbewerbe für Schülerinnen und Schüler, Weiterbildungen für Lehrkräfte und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten schaffen Sichtbarkeit. Das Goethe-Institut rege den Erfahrungsaustausch der Schulen untereinander an und verstehe ihren Auftrag als „Hilfe zur Selbsthilfe“, so Weiß. „Deutschsprechende Alumni, die sich aus diesem Projekt rekrutieren, werden die Sprache später selbst weitertragen – als Lehrkräfte, Eltern oder im Job.“

© www.deutschland.de