Zum Hauptinhalt springen

TikTok als Brücke: Wie Influencerinnen Kulturen verbinden

TikTok, Instagram, WeChat: Was chinesische Influencerinnen aus ihrem Leben in Deutschland berichten – und was Deutsche an China interessiert. 

Autorin Julia KanningJulia Kanning , 19.12.2024
Qingyi Xu möchte mit Vorurteilen aufräumen.
Qingyi Xu möchte mit Vorurteilen aufräumen. © privat

„Dass ich mich beiden Ländern zugehörig fühle, empfinde ich als großes Privileg“ – Qingyi Xu, 28

„Ich habe oft das Gefühl, in zwei Welten zu leben: Einerseits fühle ich mich meiner Heimat China sehr verbunden, ich liebe meine Familie, die dort noch lebt, chinesisches Essen und die Kultur, mit der ich aufgewachsen bin. Andererseits lebe ich nun seit sieben Jahren in Deutschland, habe deutsche Freunde, esse inzwischen lieber Maultaschen als Dumplings und spreche die Sprache fast fließend. China und Deutschland sind sehr unterschiedlich. Dass ich mich beiden Ländern zugehörig fühle, empfinde ich als großes Privileg: Ich habe Verständnis für beide Seiten und bekomme Einblicke, die andere nicht haben. Viele Chinesen waren noch nie in Deutschland und wissen wenig über das Land. 

Inhalte Dritter

Wir verwenden , um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Einverständniserklärung öffnen

Piwik is not available or is blocked. Please check your adblocker settings.

Als ich 2017 für einen Sprachkurs nach Heidelberg zog und danach in Stuttgart studierte, habe ich daher angefangen, Videos über meinen Alltag zu drehen und sie auf chinesische Plattformen wie WeChat oder Bilibili zu stellen. Ich wollte Chinesen zeigen, wie deutsche Universitäten funktionieren, welches Essen die Deutschen mögen und wie sie ticken. Bald habe ich festgestellt, dass auch andersherum großes Interesse besteht. Meine deutschen Freunde und Kollegen haben mich etwa oft gefragt, wie mein Schulalltag in China aussah, wie man chinesisches Essen zubereitet und ob die Sprache echt so schwierig ist. Also habe ich angefangen, Videos für ein deutsches Publikum zu drehen. Auf TikTok und Instagram will ich unterhalten: Ich lade dort lustige Clips hoch, in denen ich etwa Rezepte für Dumplings verrate, oder erkläre, wie man ,Porsche‘ auf Chinesisch sagt – direkt übersetzt bedeutet dieses Wort nämlich ,kaputtes, gebrauchtes Auto‘. 

Dieses YouTube-Video kann in einem neuen Tab abgespielt werden

YouTube öffnen

Inhalte Dritter

Wir verwenden YouTube, um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Einverständniserklärung öffnen

Piwik is not available or is blocked. Please check your adblocker settings.

„Influencerin – die perfekte Kombination aus Kreativität und Kommunikation“ – Rika Imai, 18

Rika Imai wollte schon immer Influencerin werden.
Rika Imai wollte schon immer Influencerin werden. © privat

„Die Vorstellung, Influencerin zu sein, fasziniert mich schon lange: Für mich ist es die perfekte Kombination aus Kreativität und Kommunikation. Ich kann meiner Fantasie bei der Gestaltung meiner Inhalte freien Lauf lassen, gleichzeitig erreiche ich damit viele Menschen und habe die Möglichkeit, sie an meinem Leben teilhaben zu lassen. Das finde ich ziemlich cool. 

Mit 14 Jahren habe ich deshalb angefangen, ab und zu etwas auf Social Media zu posten. Damals lebte ich noch in Hongkong und erlebte eigentlich wenig Aufregendes. Social Media lief nur nebenbei. Doch dann teilten mir meine Eltern mit, dass wir aufgrund ihrer Jobs umziehen würden: ans andere Ende der Welt, nach Köln in Deutschland. Im ersten Moment war ich traurig, meine Freunde verlassen zu müssen und hatte ein bisschen Angst davor, in ein völlig fremdes Land zu ziehen. Aber dann sah ich darin auch ein großes Abenteuer und eine Chance – für mich persönlich und für meine Social-Media-Accounts. Denn plötzlich hatte ich eine Nische gefunden: Ich zeige im Internet, wie ich als Asiatin Deutschland wahrnehme und wie das Leben hier im Vergleich zu meiner Heimat ist. 

Inhalte Dritter

Wir verwenden , um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Einverständniserklärung öffnen

Piwik is not available or is blocked. Please check your adblocker settings.

Inzwischen lebe ich seit vier Jahren in Deutschland und habe mehrere zehntausend Follower auf TikTok, Instagram und der chinesischen Plattform Xiaohongshu/REDNote. Meine Videos sind größtenteils auf Englisch, ich habe sowohl chinesische als auch deutsche Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich lasse sie durch meine Brille als Hongkong-Chinesin auf Deutschland schauen – durch sie betrachtet ist vieles hier nämlich ganz schön ungewohnt: Dazu zählt etwa, dass die Läden in Deutschland sonntags geschlossen sind, dass überall Automaten stehen, an denen man Zigaretten kaufen kann, und dass die Leute auf der Straße einander kurz grüßen. Ich hoffe, dass ich mit meinen Videos meinen Zuschauern neue Perspektiven aufzeigen kann. Wenn ich positive Kommentare bekomme, spornt mich das an. Vor Kurzem habe ich die Schule abgeschlossen, bald möchte ich studieren: Medien und Information. Dabei lerne ich bestimmt vieles, was ich auch für meine Tätigkeit als Influencerin gut gebrauchen kann. Ich hoffe, dass ich in Zukunft weiterhin Freude an Social Media habe, ein paar Kooperationen umsetzen kann und mich mit Influencerinnen und Influencern aus Deutschland und Asien vernetzen kann.“ 

Meichun Ke ist eigentlich Krankenpflegerin.
Meichun Ke ist eigentlich Krankenpflegerin. © privat

„Einblicke in den Alltag und die Kultur Chinas“ – Meichun Ke, 30

„Ich bin noch ziemlich neu in der Welt der Influencer. Eigentlich arbeite ich als Krankenpflegerin im OP: Für diese Ausbildung bin ich vor fünf Jahren aus meiner Heimat China nach Deutschland gezogen. Heute bin ich in einer Klinik in Neustadt in Schleswig-Holstein angestellt. Im Sommer 2022 lernte ich gerade für meine Prüfungen und paukte Anatomie, Therapien und Pflegetechniken. Um den Kopf frei zu kriegen, lud ich Videos auf Plattformen wie TikTok hoch. Gleichzeitig wollte ich mich mit den Videos selbst herausfordern und meine Sprachkenntnisse verbessern, indem ich darin Deutsch sprach. Dabei stellte ich fest, dass mir die kleinen Clips richtig viel Spaß machten. Allerdings hatte ich kaum Zuschauer: Meine Videos wurden oft nur von 100 Menschen gesehen. Im Nachhinein verständlich: Ich hatte keine Ahnung von Algorithmen oder professioneller Videobearbeitung. Stattdessen nahm ich mich bei schlechtem Licht mit dem Handy auf und sprach ohne Konzept in die Kamera. Mir wurde klar: Wenn meine Videos ankommen sollten, musste ich mich verbessern. Ich habe mir also konkrete Ideen für Videoinhalte überlegt und mir selbst Schnitttechniken beigebracht.

Inhalte Dritter

Wir verwenden , um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Einverständniserklärung öffnen

Piwik is not available or is blocked. Please check your adblocker settings.

Anfang dieses Jahres ging dann mein erstes Video viral: Darin zeigte ich Aufnahmen eines chinesischen Kindergartens und erklärte, wie ein Tag darin abläuft. Damit erreichte ich quasi über Nacht 750.000 Zuschauer! Das hat mich total motiviert und mir gezeigt, was die Leute auf meinem Kanal interessiert: Sie wollen Einblicke in den Alltag und die Kultur Chinas, die sie sonst nicht so leicht bekommen können. Heute liegt die Reichweite meines Accounts bei rund einer Million! Besonders beliebt sind etwa Videos, in denen ich traditionelle Nudelzeremonien aus meiner Heimat erkläre, chinesisches Essen probiere oder zeige, wie eine typisch chinesische Wohnung aussieht. Ich mache auch Clips darüber, wie ich als Ausländerin das Leben in Deutschland und die Arbeit im OP erlebe. Ich mag meinen Job dort sehr, dennoch will ich weiterhin als Influencerin aktiv sein. Inzwischen hatte ich schon ein paar Kooperationen und wurde sogar zum ersten Mal von einem Zuschauer erkannt. Das Leben ist schon verrückt: Als ich vor fünf Jahren nach Deutschland zog, war ich nur ein schüchternes Mädchen aus China, das noch seinen Platz sucht. Heute bin ich in meiner neuen Heimat angekommen und tue das, was mich erfüllt: Ich trage dazu bei, dass sich Menschen besser fühlen – als OP-Schwester, indem ich mich um sie kümmere, und als Influencerin, indem ich sie unterhalte!“