Wie Deutschland Weihnachten feiert
An Weihnachten zu Gast bei Deutschen: Welche Rituale wichtig sind und warum Kartoffelsalat dazugehört.
Der erste Vorgeschmack auf Weihnachten kommt mit den Lebkuchen und Spekulatius, die schon Anfang September aus heiterem Spätsommerhimmel in den Supermarktregalen auftauchen. Ab dem ersten Advent verbreiten Weihnachtsmärkte, Weihachtshits im Radio und Lichterketten Weihnachtsstimmung im ganzen Land. Aber die deutsche Weihnacht hat viele Facetten und Besonderheiten, wir beantworten euch die wichtigsten Fragen.
Feiern nur religiöse Deutsche Weihnachten?
Nein. Es ist zwar das christliche Fest zur Geburt Jesu Christi, aber auch Deutsche, die sich zu keinem Glauben bekennen, feiern Weihnachten. Im vergangenen Jahr feierten 81 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen Weihnachten. Es zu feiern ist eine wichtige Familientradition. Aber immer weniger Menschen gehen an Weihnachten in die Kirche. Vor der Pandemie waren es noch 23,6 Prozent, die den Besuch in der Kirche fest einplanen. 2022 sank der Wert auf 15,4 Prozent. Das zeigt eine Studie der Bundeswehr-Universität Neubiberg.
Welche deutschen Weihnachtstraditionen gibt es?
Zu den beliebtesten und bekanntesten Bräuchen gehört, einen Tannenbaum aufzustellen und diesen weihnachtlich zu schmücken. Bei der Frage, ob eine echte oder eine künstliche Tanne zur Weihnachtszeit einziehen darf, gibt es nach wie vor einen eindeutigen Trend: 43 Prozent der Befragten geben an, dass sie dieses Jahr einen echten Tannenbaum aufstellen. Immerhin 24 Prozent setzen auf einen Plastikbaum. Das geht aus Zahlen einer Online-Umfrage von Statisa hervor.
Und was verschenken die Deutschen? Fast jeder Zweite (44 Prozent) verschenkt Gutscheine oder direkt Geld. 37 Prozent verschenken Lebensmittel oder Süßwaren, so die Studienergebnisse von Ernst & Young. Knapp dahinter liegen mit 34 Prozent Spielwaren, mit 32 Prozent Kleidung und mit 30 Prozent Bücher.
Wie verläuft ein typisch deutsches Weihnachtsfest?
In Deutschland gibt es zwei Weihnachtsfeiertage, den 25. und den 26. Dezember. Der 24. Dezember, Heiligabend, teilt sich für viele in einen hektischen Vormittag und einen festlichen Teil am Abend. Fällt Heiligabend auf einen Werktag, sind die Geschäfte bis Mittag geöffnet, und es herrscht Hochbetrieb, wenn letzte Geschenke oder Lebensmittel für das Festessen besorgt werden. Danach gilt es, den Weihnachtsbaum mit Lichterketten und bunten Kugeln zu schmücken, Geschenke zu verpacken und das Essen vorzubereiten.
Am frühen Abend kommen die Familien zusammen. Manche pflegen Traditionen wie gemeinsames Singen oder Musizieren. Nach dem Essen folgt die Bescherung: Dann dürfen die Päckchen, die unter dem Weihnachtsbaum liegen, ausgepackt werden. Kinder hatten schon Wochen vor Weihnachten einen Wunschzettel geschrieben und warten aufgeregt, ob sich ihre Wünsche erfüllen.
Junge Leute, die über die Feiertage in ihren Heimatort zurückgekehrt sind, ziehen oft zu später Stunde noch einmal los, um alte Freunde zu treffen.
Und nun kommen wir zu Insider-Infos über deutsche Weihnachtstraditionen:
Weihnachten ist in Deutschland das wichtigste Familienfest. Christen feiern die Geburt Jesu, aber der Festtag wird inzwischen in vielen Familien begangen, für die der religiöse Anlass nicht mehr im Vordergrund steht. Constanze Kleis hat das Buch „Gebrauchsanweisung für Weihnachten“ geschrieben. Wir haben sie gefragt, was zu einem Weihnachtsfest gehört.
Welche Ausstattung braucht es für das Weihnachtsfest?
Offiziell: Einen Tannenbaum, Kerzen oder Lichterketten und Weihnachtsbaumschmuck, eine Krippe, ein gewisses Repertoire an Weihnachtsliedern. Gutes Essen, Backwaren wie Christstollen oder Vanillekipferln. Ausreichend Freigiebigkeit für Geschenke – auch für den Postboten, den Hausmeister und für Gäste – die nicht unbedingt blutsverwandt sein müssen.
Welches Gebäck ist typisch für Weihnachten?
Plätzchen – „flach geformten Kuchen“, so die ursprüngliche Bedeutung des Wortes – halten unangefochten den Spitzenplatz der Weihnachtsleckereien. Heute soll es 13.824 verschiedenen Plätzchensorten geben, dabei sind die klassischen Aroma-Zutaten Vanille, Zimt, Schoko, Zitrone, Orange, Kaffee, Rum, Haselnuss, Mandel, Walnuss, Ingwer, Kardamom, Honig und die klassischen Formen Hörnchen, Kringel, Kugel, Taler, Herz und Quader. Füllungen bestehen vorwiegend aus Schokolade, Vanille, Marmelade oder Marzipan.
Wie läuft Heiligabend, der 24. Dezember, traditionell ab?
Im Prinzip wie es der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann 1901 in dem Roman „Buddenbrooks“ beschrieben hat: Alle singen Weihnachtslieder. Anschließend Bescherung unter einer prachtvollen Tanne, „geschmückt mit Silberflittern (…) überall liegen Geschenke“. Dann wird eine überwältigende Fülle an Speisen und Getränken aufgetischt. In der Praxis steckt das Fest längst nicht mehr in so einem starren Korsett. Weihnachten kann eine rundum gelungene Mischung aus gerade so vielen Ritualen sein, um sich zu Hause und aufgehoben zu fühlen.
Welche sind die klassischen Weihnachtsgerichte?
Laut Umfragen hält am Heiligen Abend immer noch Kartoffelsalat mit Würstchen die Pole Position der Lieblingsgerichte. Dicht gefolgt von Fondue und Raclette. Laut einer Umfrage haben bis Heiligabend vor allem Frauen durchschnittlich 288 Stunden in die Vorbereitung des Festes investiert. Traditionalisten servieren der Familie am ersten Weihnachtsfeiertag eine Gans mit Klößen und Rotkohl.
Welche Lieder werden Weihnachten in Deutschland gesungen?
Rund 12.000 einschlägige Titel führt das Büro für Weihnachtslieder im österreichischen Graz in seinem Archiv. Weihnachtslieder sind so etwas wie der Generalschlüssel zur Weihnachtstimmung. 90 Prozent der Deutschen mögen nicht ohne sie auskommen. Das wohl berühmteste Weihnachtslied der Welt ist dabei zweifelsfrei „Stille Nacht“. Es wurde 1818 in Österreich erstmals gesungen und bis heute in über 300 Sprachen und Dialekte übersetzt.
Gibt es „moderne“ Weihnachten?
Ich würde sagen, die moderne Weihnacht zeichnet sich durch eine erfreuliche Lockerung der Sitten aus. Tanne? Ist vielleicht ökologisch nicht so sinnvoll. Gänsebraten? Vegetariern vielleicht zu brutal. Dafür greift man aber die Grundideen des Festes auf, dass es gut ist, wenn sich die Familie einmal im Jahr versammelt, um gemeinsam zu essen. Zeit miteinander zu verbringen. Sich mit Geschenken – auch in Form von Nähe und Geborgenheit – eine Freude zu machen und dabei auch mal mit Materiellem zu signalisieren: Ich habe mir Gedanken über dich und deine Wünsche gemacht.
