Die deutsche Sprache
Ein Kurzinterview mit Holger Klatte, Germanist und Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache, über den Tag der deutschen Sprache und sprachlichen Verbraucherschutz
Herr Klatte, der Verein Deutsche Sprache hat im Jahr 2001 erstmals einen „Tag der deutschen Sprache“ initiiert, der seither immer am zweiten Samstag im September stattfindet. Warum ist ein solcher Tag wichtig?
Wir haben den Tag ins Leben gerufen, weil die deutsche Sprache unserer Meinung nach in der Gesellschaft zu wenig angesehen ist. Sprache soll verbinden und hat eine wichtige Bedeutung in Politik, Wirtschaft, in den Medien und im Miteinander. Wir fürchten, dass die deutsche Sprache von der weltweit immer wichtiger werdenden englischen Sprache verdrängt wird und sich die Generationen untereinander dann nicht mehr verstehen. In Agenturen und Redaktionen werden enorm viele englische Begriffe verwendet: sich connecten, Meetings, sich einen Call geben. Wir fordern nicht, dass jedes Wort ins Deutsche übersetzt wird, aber für viele Begriffe gibt es verständliche deutsche Alternativen.
Auch auf Gebrauchsanleitungen und Produkten sollen Erklärungen und Inhaltsstoffe auf Deutsch deklariert werden – dafür setzen Sie sich mit der Initiative zum „Sprachlichen Verbraucherschutz“ ein.
Gerade Gebrauchsanleitungen müssen doch für jeden verständlich sein! Oder ich muss als Allergiker wissen, welche Inhaltsstoffe in einem Produkt enthalten sind. Bei Kosmetikprodukten ist es aber üblich, dass Inhaltsstoffe mit dem englischen „ingredients“ ausgezeichnet sind. Die Inhaltsstoffe selbst sind in Anglolatein gehalten: „aqua“ statt Wasser, „sodium“ für Natrium und „potassium“ für Kalium. Die Kassiererin im Drogeriemarkt kann dafür natürlich nichts, in der Regel nicht einmal der Drogeriemarkt selbst. Das wird auf höchster Ebene verhandelt. Wir nehmen dann Kontakt mit Unternehmen auf, schreiben Briefe und sprechen Politiker und Ministerien an.
Warum ist es so schwierig, Unternehmen zu überzeugen, ihre Produkte und Gebrauchsanleitungen auf Deutsch zu formulieren?
Häufig handelt es sich um international tätige Unternehmen, und für Übersetzungen fallen Kosten an. Bei vielen Werbetextern gilt das Deutsche zudem als verstaubt. Wir stellen das in Frage. Unser Verein hat 36.000 Mitglieder, davon viele, die einfach die deutsche Sprache schön und erhaltenswert finden. Bei der ein oder anderen Werbeabteilung hatten wir schon Erfolg mit unseren Bemühungen, und englischsprachige Werbetexte wurden durch deutschsprachige ersetzt.
Eine im August veröffentlichte YouGov-Umfrage ergab, dass sich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung am häufigen Gebrauch von Fremdwörtern stören – sie aber selbst benutzen. Was hat es mit diesem Widerspruch auf sich?
Die Studie zeigt, wie groß der Einfluss des Englischen auf das Deutsche ist. Als normaler Sprachnutzer kommt man häufig nicht automatisch auf deutsche Entsprechungen. Aber die Entwicklungsabteilung neuer Produkte sollte sich Gedanken machen. Häufig gibt es ja deutsche Begriffe, die oft sogar treffender sind: Beim „Computer“ wird gerade in Fachkreisen eher das Wort „Rechner“ verwendet. Und als der „Airbag“ in Deutschland erstmals in die Autos eingebaut wurde, hieß er in den Entwürfen „Prallkissen“.
Tag der deutschen Sprache am 10. September 2016