„Das eigene Talent entdecken“
Shyamal Majumdar, UNESCO-Experte in Bonn, über den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit.
Der indische Bildungsexperte Shyamal Majumdar leitet seit 2011 das Internationale Zentrum für Berufsbildung der UNESCO (UNESCO-UNEVOC) mit Sitz in Bonn. Ein Interview über das weltweite Potenzial der Berufsbildung.
Herr Dr. Majumdar, hochwertige Bildung ist das vierte der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Es betont den Wert der Berufsbildung. Warum gewinnt diese weltweit an Bedeutung?
Berufsbildung ist der Schlüssel für viele Themen der Entwicklungsagenda der UN. Bildungspolitische, soziale, technologische und ökonomische Imperative haben Berufsbildung zu einer Priorität in sämtlichen Weltregionen gemacht. Nachdem die Millenniumsentwicklungsziele den primären und sekundären Bildungsbereich gestärkt haben, benötigt nun eine sehr große Zahl von Schulabsolventen Jobs. Für viele von ihnen kann Berufsbildung eine Möglichkeit sein, ihren Bildungsweg fortzusetzen, praktische Fähigkeiten und Kompetenzen zu erwerben und das eigene Talent zu entdecken. Mit Blick auf den Klimawandel gibt es aber auch einen Imperativ der nachhaltigen Entwicklung: Handwerkliche und technische Fähigkeiten sind entscheidend für den Ausbau erneuerbarer Energien und sauberer Technologien. Und es gibt einen ökonomischen Imperativ, denn ein Mangel an Jobs ist zwar weltweit nicht das Hauptproblem, aber die Fähigkeiten der Bewerber passen viel zu selten zu den gesuchten Berufsbildern. Wir wollen keine Bildung nur um der Bildung willen. Wir wollen Bildung, die zum Arbeiten qualifiziert – und das tut Berufsbildung auf entscheidende Weise.
Was ist der Kern der Arbeit von UNESCO-UNEVOC?
Wir managen ein globales Netzwerk von Berufsbildungsinstitutionen. Weltweit gibt es 255 UNEVOC-Zentren in knapp 165 Staaten. In jedem Land sollen die UNEVOC-Zentren effektiv dazu beitragen, das Berufsbildungssystem zu verbessern. Capacity Development für bessere Berufsbildung ist ein Kernelement unserer Arbeit. Sehr hohen Wert legen wir auch auf den Wissensaustausch zwischen den verschiedenen Ländern. Jeder kann etwas vom anderen lernen.
Wie beurteilen Sie den Stand der Berufsbildung in Deutschland?
Deutschlands führende Rolle in der Berufsbildung ist weltweit bekannt. Das System der Berufsbildung hat in Deutschland eine enorme Tradition, besonders das duale Ausbildungssystem ist schon seit langer Zeit erfolgreich. Das ist auch ein Grund, warum Deutschland die Weltfinanzkrise von 2008 so außerordentlich gut überstanden hat. In Deutschland wird der Berufsbildung konstant hohe Bedeutung beigemessen; das zeigen auch die Qualität der entsprechenden Jobs und Sozialpartnerschaften. Diese Stärken der Berufsbildung möchten wir weltweit kommunizieren. Wir sind sehr froh darüber, dass Deutschland unser Gastgeber ist, und wir arbeiten eng mit mehreren deutschen Ministerien und Organisationen zusammen, zum Beispiel mit dem Bundesbildungsministerium, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).
Welche Themen werden in den kommenden Jahren für UNESCO-UNEVOC besonders wichtig sein?
Wir werden weiter gegen die Jugendarbeitslosigkeit kämpfen, denn wir glauben, sie ist die zentrale Herausforderung dieser Welt. Einen besonderen Schwerpunkt legen wir auf Innovation und Bottom-up-Ansätze in der Unternehmensgründung, auch Start-up-Aktivitäten unterstützen wir. Ein weiteres Hauptziel von UNESCO-UNEVOC ist es, Berufsbildung für Frauen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen inklusiver zu gestalten. Das Bruttosozialprodukt ist nicht der einzige Maßstab für Erfolg. Natürlich spielt auch das Potenzial der Digitalisierung eine bedeutende Rolle für uns. Wir haben zum Beispiel das Projekt „Bridging Innovation and Learning in TVET“ (BILT) gestartet. Ein Hauptziel von BILT ist es, Erfahrungsaustausch und Peer Learning durch das UNEVOC-Netzwerk zu ermöglichen und zwar in den Bereichen Digitalisierung und Industrie 4.0, Klimawandel, Unternehmertum und Migration.
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