„Wir müssen neue Wachstumswege finden“
Klimaforscher Anders Levermann über notwendige Grenzen für die Wirtschaft, neue Chancen und internationale Entwicklungen.
Herr Professor Levermann, mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit verdeutlichen Sie schon länger den Wert alternativer Wachstumswege für den Klimaschutz. Was muss sich ändern?
Unser Wachstum der Vergangenheit basierte auf fossilen Energieträgern. Diese sind auf unserem Planeten endlich und erhitzen unsere Erde. Deshalb können sie nicht Teil eines Zukunftsmodells sein. Wirtschaft und Wohlstand dürfen gerne weiterwachsen, aber wir müssen zu einem vollständigen Stopp des Abbaus fossiler Ressourcen gelangen. In der Geschichte wurden immer wieder Grenzen für die wirtschaftliche Entwicklung gesetzt, etwa durch die Etablierung der Menschenrechte und die Abschaffung der Sklaverei. Auch das hat die Art und Weise, wie wir produzieren und wirtschaften verändert und uns dazu gezwungen, uns weiterzuentwickeln. Wir müssen unsere Wachstumskurven falten und neue Wege finden.
Sie plädieren also für harte Grenzziehungen für einen erfolgreichen Klimaschutz?
Der Markt erschafft ein Anreizsystem und motiviert zur Innovation, aber zum einen sind viele Kosten unseres aktuellen Wirtschaftens nicht eingepreist und zum anderen sind bestimmte Werte nicht käuflich. Wir überlassen den Heroinkonsum nicht dem freien Markt, weil er tödlich ist. Die Temperatur des Planeten wird so lang ansteigen, wie wir Öl, Gas und Kohle verbrennen, deshalb müssen sie durch Solar- und Windenergie ersetzt werden. Der Emissionshandel ist dabei nur eine Hilfe für die Wirtschaft auf dem Weg zur Null-Emissions-Grenze, die in 2045 erreicht sein wird. Die Nutzung von Solar- und Windenergie ist in den vergangenen Jahren stetig effizienter und kostengünstiger geworden. Zusammen mit der Innovationskraft von Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft werden wir den gesellschaftlichen Pfad, auf dem wir uns befinden so falten können, dass wir vor der Klimagrenze kehrt machen.
Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zeigt, dass es immer mehr Weltregionen gelingt, wirtschaftlich zu wachsen und gleichzeitig CO2 Emissionen zu reduzieren. Wie ist diese Entwicklung einzuordnen?
Diese Entkopplung geschieht, aber sie ist leider nicht schnell genug. Dennoch ist festzuhalten, dass insbesondere Europa Fortschritte dabei macht, seine Volkswirtschaften mit Blick auf den Klimaschutz umzugestalten. Auch in Nordamerika und Asien gibt es Hoffnungszeichen. Auf keinen Fall sollten aufstrebende Wirtschaftsnationen die Fehler der Industrienationen in Europa und Amerika wiederholen und zerstörerische, fossile Wachstumspfade einschlagen.