„Wir sind ein hochinnovatives Land“
Ist Deutschland auf dem Sprung? Im Interview gibt Berit Dannenberg, Co-Geschäftsführerin der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND, ihre Einschätzung.

Frau Dannenberg, wie bewerten Sie den Innovationsstandort Deutschland?
Wir sind ein hochinnovatives Land. Wir haben großartige Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Und wir haben jede Menge kluger Köpfe, die an Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit oder auch der Zukunft forschen. Wir verfügen über herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gleichzeitig erfolgreiche Unternehmer sind. Ein Paradebeispiel sind Özlem Türeci und Ugur Sahin, die mit BioNTech den Impfstoff gegen das Corona-Virus entwickelt haben. Allerdings schaffen es insgesamt zu wenige, aus den Erkenntnissen und Erfindungen neue Unternehmen und Industrien zu machen, die volkswirtschaftlichen Nutzen stiften.
Woran hapert es?
Noch ist es für „Sciencepreneure“ an den Universitäten oftmals unglaublich mühsam und zeitraubend, ihr Wissen in ein Unternehmen zu übertragen und wirtschaftlich zu nutzen. Nicht wenige geben nach zwei, drei Jahren Verhandlungen entnervt auf, oder müssen Verträge abschließen, die die Weiterentwicklung des Startups behindern. Um diese Hemmnisse zu überwinden, haben wir mit 17 Hochschulen und Forschungseinrichtungen Bewertungsmodelle und Musterverträge für einen vereinfachten und standardisierten Wissenstransfer erarbeitet.
Liegt eine Ursache auch in der geringen Durchlässigkeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik?
So ist es. Es gibt keinen nennenswerten Karrierepfad von der Wissenschaft in die Wirtschaft. Für Menschen aus der Wirtschaft wiederum existieren kaum Incentives, in die Politik oder öffentliche Verwaltung zu wechseln – und umgekehrt. Unter den Bundestagsabgeordneten finden sich jeweils nur eine Handvoll Unternehmer und Forschende.
Um den Gründerinnen und Gründern von morgen eine Plattform zu geben, gibt es die SPRIND?
Genau. Unsere wesentliche Aufgabe lautet, aus unseren Innovationen Industrien zu formen, die künftigen Wohlstand sichern. Sprunginnovationen zeichnen sich im Gegensatz zu „normalen“ Innovationen dadurch aus, dass sie nicht lediglich Verbesserungen des Existierenden sind. Kommt eine Sprunginnovation in die Welt, ist die Welt danach anders als zuvor. Wenn es uns gelingt, die „Siloisierung“ unserer Systeme zu überwinden, wird die Wirtschaftsnation Deutschland eine enorme Kraft entwickeln. Wir bei SPRIND sind so etwas wie ein Reallabor dieser Transformation.
Wie hoch sind die finanziellen Mittel, mit denen SPRIND die Innovatorinnen und Innovatoren unterstützen kann?
Im Jahr 2024 waren es mehr als 220 Millionen Euro. Das macht uns zu einem der größten Deep-Tech-Finanzierer Europas. Wir haben uns bis jetzt 2.111 Projekte angeschaut, 163 davon finanziert und 21 in Großfinanzierungen gebracht. Darin enthalten sind die derzeit 40 Teams, die durch acht SPRIND Challenges ihre Finanzierung erhalten. Alle Teams arbeiten an den großen Fragen unserer Zeit.
Wie schätzen Sie die Aussicht auf Erfolg ein?
Uns ist klar, dass auch einige der von uns finanzierten Projekte scheitern werden. Das gehört zu unserem risikobasierten Ansatz. Einige Innovationen werden abheben – da sind wir sicher. Zu unserem Projektportfolio gehören Firmen, die an neuartigen Wirkstoffen gegen Krebs, Alzheimer und Virusinfektionen arbeiten. Nehmen wir mal an, nur eines der Projekte hebt ab, und bedenken wir gleichzeitig, wie groß Themen wie Krebs und Alzheimer sind, dann erhalten wir eine Vorstellung, wie gewaltig der Impact einer einzigen Sprunginnovation sein kann.
Was ist SPRIND?
Die Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND wurde 2019 mit Geschäftssitz in Leipzig gegründet. Alleinige Gesellschafterin ist die Bundesrepublik Deutschland. Der Auftrag besteht darin, neue, bahnbrechende Technologien für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden und sicherzustellen, dass die Wertschöpfung der daraus entstehenden Unternehmen in Deutschland und Europa bleibt. Geführt wird SPRIND von Rafael Laguna de la Vera und Berit Dannenberg.